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„Gärten des Grauens“

Hier wächst nicht viel: Zwischen den Steinen lugt nur vereinzelt Grün hervor. Der Bürgermeister und die Umweltverbände mögen solche pflegeleichten Gärten überhaupt nicht. Foto: Pegelow
Hier wächst nicht viel: Zwischen den Steinen lugt nur vereinzelt Grün hervor. Der Bürgermeister und die Umweltverbände mögen solche pflegeleichten Gärten überhaupt nicht. Foto: Pegelow

Karben. Sie sehen sehr ordentlich aus, sind für die Bewohner pflegeleicht, in den Augen von Umweltschützern sind sie aber alles andere als naturnah. Insbesondere in Neubaugebieten kommen sie immer mehr in Mode. Bei dem jüngsten Karbener Umweltgespräch sind die Schottergärten ein zentrales Thema gewesen.
Egal, wo man in Karben unterwegs ist. In scheinbar immer mehr Straßen stehen Einfamlienhäuser mit pflegeleichten Gärten davor. Die Gärten enthalten wenige Pflanzen, dafür aber umso mehr Steine. Kies ist dort reichlich aufgeschüttet worden. Statt immergrüner Pflanzen oder blühender Blumen findet sich quadratmeterweise heller Kies. Für die Bewohner ist all das schön anzusehen und pflegeleicht allemal. Umweltschützern sind die »Gärten des Grauens« allerdings ein Dorn im Auge.
Deshalb hat der Naturschutzbund die pflegeleichten Kiesgärten zum Thema des jüngsten Karbener Umweltgesprächs gemacht. Diese Gespräche finden regelmäßig statt: Vertreter der Naturschutzverbände und der Landwirte sitzen mit Vertretern der Stadt zusammen, um über Umweltthemen zu sprechen.
Beim jüngsten Treffen hob Professor Roland Prinzinger das Thema auf die Tagesordnung. Er wies darauf hin, dass sich die Schottergärten auf das Kleinklima stark auswirken würden. Wenn dort mehrere solcher Gärten nebeneinander liegen würden, kühle sich die Umgebung nur schwer ab. Es sei sogar nachgewiesen worden, dass sich ein Hausbesitzer sein eigenes Kleinklima kaputt mache, wenn er vor seinem Fenster Steine statt Büsche und Gras habe.
Boden versiegelt
Was konkret die Naturschützer gegen Schottergärten haben, trug Prinzinger anhand eines FAZ-Artikels vor: Demzufolge wird die Humusschicht abgetragen und der verbliebene Grund mit einer Folie abgedeckt. »Der Boden ist versiegelt, da kann kein Würmchen mehr nach oben durchdringen.« Dann werde ein halber Meter Kleingestein aus Indien oder China draufgeschüttet. Das Gesamtergebnis sei »ökologisch tot wie ein Stück Autobahn«. Damit sei er auf breite Zustimmung gestoßen, freut sich Prinzinger.
Vor einigen Tagen erst hat nun auch Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) die Schottergärten zu einem öffentlichen Thema gemacht. Sie hat einen Brief an die Spitzenverbände der hessischen Kommunen geschrieben. Darin heißt es, mit Blick auf den Klimawandel und mehr Unwetter, komme es auf jeden Quadratmeter unversiegelten und begrünten Boden an.
»Schotter- und Kieselsteingärten oder reine Rasenflächen bieten Insekten keinerlei Nahrung. Wir brauchen aber dringend Nahrung und Lebensraum für Insekten, sonst sind die Lebensgrundlagen für uns alle in Gefahr«, sagt die Ministerin.
Ihre Forderung, wie auch die der Umweltverbände: Schottergärten müssten als versiegelte Flächen bewertet werden. Damit würden die Abwassergebühren für diejenigen steigen, die solche Gärten haben. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) teilt dazu mit, man sehe diese Entwicklung der zunehmenden »Versteinerung« der Vorgärten ebenso kritisch wie die Naturschutzverbände. Daraufhin habe er bei den Stadtwerken nachgefragt, von dort aber folgende Antwort erhalten: »Auch wenn ich solcherart Schottergärten und Vliese selbst nicht mag: Sachlich/fachlich kann das Niederschlagswasser aber durchsickern und wir können derartige Flächen schlecht als versiegelt bewerten«, so Michael Quentin, der technische Betriebsleiter der Stadtwerke Karben.
Blühstreifen
Also dürfte der Weg über eine Änderung der Abwassersatzung nicht gangbar sein. Dagegen hat Prinzinger mit Freude registriert, dass ihm beim Umweltgespräch die Landwirte zugestimmt hätten. In diese Richtung geht auch die Stellungnahme des Bürgermeisters zu dem Thema. Im Rahmen der Umweltgespräche seien schon positive Signale Richtung Landwirte gesetzt worden. Diese müssten einen Teil ihrer Flächen stilllegen bzw. Blühstreifen anlegen. »Hier könnte noch mehr gemacht werden«, so Rahn.
Eine weitere Option sind in den Augen des Bürgermeisters städtische Rasenflächen, die man teilweise als Blühwiesen anlegen könnte. Er denkt dabei an nicht genutzte Bereiche auf den Friedhöfen oder entlang der Straßen.