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Meisterdisziplin Lyrik

Preisträger Horst Samson während seiner Dankesrede am Sonntagvormittag in der aus allen Nähten platzenden Kronberger Bücherstube. Foto: Fauerbach
Preisträger Horst Samson während seiner Dankesrede am Sonntagvormittag in der aus allen Nähten platzenden Kronberger Bücherstube. Foto: Fauerbach

„Tausend Sachen beherrscht der Teufel, aber dichten kann er nicht. Aber ich. Und eines Tages gelang mir der Beweis. Ich schrieb ein neun Zeilen langes Gedicht über diesen schrecklichen unendlichen Krieg und nannte es ,Pünktlicher Lebenslauf’. Der Titel allein spiegelt eine Generation in ihrem existentiellen Verständnis.“ Dies ist eins der unter die Haut gehenden Zitate „auf den weißen Seiten eines dunklen Vierteljahrhunderts, Gedichte als Zeugen und Zeugnisse, als Erzeugnisse und Erzeuger“ aus Horst Samsons Gedichtband „Kein Schweigen bleibt ungehört“.

Kronberg/Bad Vilbel.Geschrieben hat der Schriftsteller, Journalist, Lehrer und seit 2006 Generalsekretär des „Internationalen Exil- P.E.N. – Sektion deutschsprachige Länder“ diese Gedichte in der Zeit vor und nach seiner Emigration im März 1987.

Für seine neun Gedichtbände wurde Horst Samson bereits mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Jetzt erneut und zwar am 3. Oktober mit dem „Gerhard-Beier-Preis“ der „Literaturgesellschaft Hessen“ (LIT).

Verliehen wurde ihm der mit 1500 Euro dotierte, nach dem 2000 verstorbenen Schriftsteller, Historiker und Publizisten Dr. Gerhard Beier benannte Preis am Sonntag in Kronberg. Horst Samson ist der sechste Preisträger der LIT. Laudatorin Ursula Teicher-Maier lobte den „sprachlich so ausgefeilten Lyrikband“ Samsons. Sein Band enthält 132 Gedichte, in denen er seine „Erfahrungen in der Diktatur, von Gefahr und Heimatlosigkeit“ in Rumänien und Deutschland verarbeitet.

„Die Lyrik hat die Aufgabe, das Schweigen hörbar zu machen. Ein gutes Gedicht trägt einen dahingeschwiegenen Roman in sich“, erklärte Jury-Mitglied Ursula Teicher-Maier in ihrer Laudatio auf den Preisträger. Die Gedichte von Horst Samson sind „vorwiegend streng gebaut, sie spielen nicht mit Sprache herum“, denn es ist „ihnen ernst mit dem, worüber sie sprechen, bisweilen todernst.“ In einigen finden sich heitere und sarkastische Elemente. „Dichter wie Horst Samson sind in gesellschaftlichen Umbrüchen zu Hause, verzetteln sich nicht, sie spüren, wann es sich lohnt, den Finger an den Puls der Zeit zu legen“, lobte Ursula Teicher-Maier.

Der Schriftsteller Richard Wagner aus Berlin, ein Freund aus frühen Tagen, gratulierte dem Lyriker Samson zu diesem Preis mit den Worten: „Freue dich, denn das ist doch endlich mal ein Literaturpreis, den unsere nobelierte Freundin (Herta Müller) noch nicht bekommen hat!“

Die Gedichte von Horst Samson gehen unter die Haut, sprechen Herz und Hirn an, sie sind gesellschaftlich relevant, oder um es mit den Worten des Autors in Anlehnung an Bert Brecht zu sagen, „in einer rauen, unruhigen Welt, wo ein Gespräch über Träume fast schon ein Verbrechen ist“ existentiell.

Gedichte sind „auch Heimat für alle, die keine haben. Wer sich in ein Gedicht flüchtet, wird weder nach Herkunft oder Hautfarbe, noch nach Geschlecht, Vermögen oder Reisepass gefragt, sondern er darf als Dazugehörender mitreisen, kreuz und quer durch die Sprachen, Bedeutungen, Epochen, durch Vaterländer, Muttersprachen und Kontinente, und sei es bis ans Ende der Welt“, sagte Horst Samson in seiner Dankesrede. Und spricht damit Millionen vor Hunger, Gewalt und Krieg Flüchtenden geradezu aus der Seele.

Horst Samson, „Kein Schweigen bleibt ungehört“, 2013, Verlag Pop Ludwigsburg, ISBN 978-3-86356-055-3, 14,99 Euro.