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Verrückte Zeiten – Das Wort zum Sonntag

Im Januar erlebten wir frühlingshafte Temperaturen. Manche Vögel zwitscherten wie sonst erst im März. Und dort und da blühten sogar die Forsythien. Was sind das nur für verrückte Zeiten!

Richtig, da scheint im normalen Jahreszeitenkalender einiges durcheinander gekommen zu sein. Verrückte Zeiten! Wir suchen nach Erklärungen. Vom Klimawandel ist die Rede. Und anderswo, etwas in Asien werden die von den großen Regenfällen betroffenen Menschen verrückt vor tiefer Trauer um menschliche und materiellen Verluste.

In unseren Breitengraden denken wir bei „verrückten Zeiten“ eher an die hinter uns liegenden verrückten Tage der Fastnacht. Mit dem Aschermittwoch ist die Passions- und Fastenzeit eingeläutet. Und das meint: Was in Unordnung geraten ist, soll wieder in die rechte Ordnung kommen. Anders gesagt: Das Verrückte in unserem Leben soll die Chance erhalten, wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückzufinden. Das geschieht nicht von selbst. Dazu brauchen wir Hinweise und Hilfen. Es fängt mit dem Erkennen dessen an, was überhaupt in meinem Leben verrückt spielt.

Wir kennen das alle: Je verrückter, je toller und hektischer unser Alltag, desto mehr sehnen wir uns nach Ruhe, nach Ausgleich. Bei dieser natürlichen Erfahrung lässt sich gut anknüpfen, um auf das tiefer liegende geistliche Sehnen hinzuweisen. Das meint in unseren Tagen: Die große Sehnsucht so vieler Menschen nach Spiritualität. Viele spüren in ihrem hektischen, verrückten Leben: Es fehlt etwas Entscheidendes, um wirklich glücklich und zufrieden zu sein. Mein innerer Mensch fühlt sich mit seinen wirklichen Bedürfnissen vernachlässigt. Kann ich noch etwas in meinem Lebensstil verändern? Können die verrückten Zeiten auch einmal aufhören?

Die Kirchenjahreszeit der Passions- und Fastenzeit mit dem Beginn des Aschermittwochs bietet da eine Chance: Innezuhalten, um die Bedürfnisse der Seele deutlicher zu spüren: erste Schritte der Veränderung anzugehen; positive Erfahrungen im Verzicht liebgewordener, aber unguter Gewohnheiten einzuüben. Es gibt Menschen, ob sie fromm sind oder nicht, die machen bei der kirchlichen Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ mit. Verzicht üben für mehr Lebensqualität! Auf was man da im konkreten freiwillig verzichtet, kann unterschiedlich sein: Alkohol, Nikotin, Süßigkeiten, Fernsehen, zusätzliche Arbeit, Termine. Oder andere Gesundheits- und Zeitfresser. Stattdessen nehme ich mir Zeit für mehr Bewegung in der Natur, für Menschen und Bücher.

Bei Büchern gilt es eine gute Auswahl zu treffen. Schließlich geht es um die Chance, mit der wertvollen freien Zeit auch der Seele eine spirituelle, eine gute geistliche Nahrung anzubieten. Und hier gilt eindeutig das Gebot: Qualität vor Masse. Ein kleines Büchlein mit kurzen Texten hat es mir da angetan: „Aufbruch zum Leben – Spirituelles Lesebuch für die Fasten- und Osterzeit 2007“ (St. Benno Verlag). Darin lese ich einen Titel: Gönne dich dir selbst!“ Das macht mich neugierig.

Am Ende noch eine Kostprobe aus dem genannten Büchlein: „Die Langeweile, die tiefe Langeweile, kommt von der Abwesenheit Gottes oder vielmehr von unserer Abwesenheit, wenn Gott da ist. Und er ist immer da, doch wir ziehen unser elendes Anderswo vor und kommen dort vor Langeweile um!“ Interessant, man könnte für „Langeweile“ auch „Hektik“ sagen. Es kommt aufs gleiche raus. Wir leben in verrückten Zeiten. Es wird Zeit, das zu ändern.

Pfarrer Matthias Gärtner, Dortelweil