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Ärzte-Krise droht – Kassenärztliche Vereinigung warnt: Doktorschaft in Wetterau und MKK überaltert

Die Ärzte in Karben und Bad Vilbel streiten seit geraumer Zeit über ihren Bereitschaftsdienst. Hinter der Auseinandersetzung lauert ein ganz anderes Problem: Für viele Doktoren in der Wetterau wird es immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Eine Studie zeigt auf, wie ernst die Lage ist.

Bad Vilbel. Eine Arbeitswoche von 50 Stunden und mehr ist für viele Hausärzte heute Standard. Selbst wenn sie nicht in ihrer Praxis gerade Sprechstunde halten, sind sie für ihre Patienten unterwegs. Von morgens früh oft bis in den Abend hinein. Und bis vor nicht langer Zeit klingelte selbst in der Nacht und am Wochenende noch oft genug das Telefon.

Den Hausärzten in Karben, Friedberg und Weckesheim reichte das bereits vor zwölf Jahren. Da schlossen sie sich zu einem Ärztlichen Bereitschaftsdienst zusammen. „Vorher musste jeder noch zweimal pro Woche die Nacht in der Praxis verbringen“, berichtet Hausarzt-Internist Dr. Jürgen Fehr aus Okarben. Bei fünf Hausärzten in Karben sei das „eine massive Mehrarbeit“ gewesen.

Der Bereitschaftsdienst ist inzwischen gewachsen. Von Butzbach bis Karben sind alle Praxen an einen zentralen Dienst mit Sitz im Bad Nauheimer Hochwaldkrankenhaus angeschlossen. Zwei Teams sind zu Hausbesuchen unterwegs. Die Hausärzte können selbst mitmachen, müssen aber nicht. „Ich habe ’mal ein paar Dienste übernommen, um mir anzuschauen, wie es funktioniert“, sagt Dr. Fehr.

Der Zusammenschluss zum Bereitschaftsdienst im großen Stil ist für ihn und seine Kollegen unumgänglich. „Sonst haben wir bei der Übergabe von Praxen einen Nachteil“, erläutert der Hausarzt-Internist aus dem Karbener Stadtteil. Sprich: Für eine Praxis, in der ein Arzt auch noch Bereitschaftsdienste machen muss, finde sich kaum ein Interessent, bestätigt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV).

Sie hat gerade in der Studie „Versorgung heute“ ermittelt, dass es in der Wetterau innerhalb der nächsten 13 Jahre ein ernsthaftes Nachfolgeproblem gibt: Wollen sie mit 65 in Rente gehen, müssen bis dahin zwei Drittel der Hausärzte einen Nachfolger für ihre Praxis finden. 108 von 187 werden dann den Ruhestand anstreben. Im Main-Kinzig-Kreis liegt die Zahl nur minimal niedriger: Hier sind es 165 von 253 Ärzten, knapp zwei Drittel.

Alarmierende Zahlen: In Friedberg, Niddatal, Rosbach, Rockenberg, Echzell, Nidda und Hirzenhain sind bereits heute mehr als die Hälfte der Doktoren über 55 Jahre alt. Im westlichen Main-Kinzig-Kreis haben Schöneck, Hammersbach, Ronneburg und Langenselbold dieses Problem.

Überalterung

Die Überalterung der Ärzteschaft macht nicht an Gemeindegrenzen Halt. Denn wetterauweit stellen die 50- bis 59-Jährigen die größte Altersgruppe in der Ärzteschaft, fast die Hälfte. Sie wird in absehbarer Zukunft genau dieses Nachfolgeproblem treffen.

Und das hat es doppelt in sich. Zum einen, weil die Wetterau damit absolut im Landestrend liegt. Sprich: 2602 Allgemeinmediziner werden in den nächsten gut zehn Jahren einen Nachfolger brauchen. „Dabei wird unterstellt, dass die Nachbesetzung eins zu eins erfolgt“, erklärt Karl Roth, der Sprecher der KV Hessen. Doch hätten sich beim heutigen Ärztenachwuchs „Vorstellungen und Anforderungen“ verändert. Auf gut Deutsch: Zu den 50-Stunden-Wochen seien die Jungmediziner nicht bereit. Deshalb seien auch „künftig mehr Absolventen erforderlich“, um die Patienten unverändert gut versorgen zu können, so Roth.

Dieser Nachfolgermangel macht es den heute praktizierenden Medizinern aber noch aus einem anderen Grund schwierig: „Den Erlös aus einer Praxisübergabe haben viele als Altersversorgung einkalkuliert“, erklärt Dr. Fehr.

Fehle der Nachwuchs, sinke auch der Übergabepreis für eine Praxis. Nur wenige Ärzte in der Wetterau müssen sich darüber keine Gedanken machen: Gerade einmal acht Doktoren haben das Alter von 40 nicht erreicht – deutlich unterm Landesdurchschnitt, so die Ärztevereinigung. Angesichts dieser Zahlen sehen sich Fehr wie auch sein Wöllstädter Kollege Wolf Eckert darin bestätigt, den Bereitschaftsdienst noch weiter professionalisiert zu haben.

Klinik-Jobs attraktiver

„Es geht uns nicht ums Geld dabei“, unterstreicht Dr. Fehr. Der größere Verbund komme den einzelnen Arzt sogar teurer als der bisherige. Doch fehlte die Alternative: „Wir hatten im Notdienst in Friedberg zusehends Probleme, die Dienste zu besetzen.“ Denn auch freiberufliche Ärzte seien kaum mehr zu bekommen, weil diese zusehends mit angenehmen, festen Arbeitszeiten in die Kliniken gelockt würden. Bloß: Ohne Freizeit abends und am Wochenende bekämen die meisten der Hausärzte über eher kurz als lang selbst dieses Problem. „Arztsitze in Gebieten mit hoher Dienstbelastung finden so gut wie keine Nachfolger mehr“, warnt Karl Roth von der KV. „Deshalb ist es heute oder in naher Zukunft notwendig, größere Versorgungsgebiete zu schaffen.“ (den)