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Als die Gräfin einlud

Schöneck. In früheren Jahren war das Schloss in Büdesheim Dreh- und Angelpunkt der feinen Gesellschaft. Kaiserin Viktoria verkehrte hier, die Pianistin Clara Schumann war häufig zu Besuch, Politiker und Hocharistokraten der Kaiserzeit gingen ein und aus.

An die großen, feinen Zeiten erinnert heute nicht mehr viel. Die Nidder fließt noch immer gemächlich im großen Bogen um das Anwesen. Es hat im Lauf der Jahrhundert mehrfach sein Gesicht gewechselt und blickt auf eine lange Geschichte zurück.

Gegenüber des alten Schlosses der Gutsherren von Brena entstand 1885 durch den Münchner Stararchitekten Gabriel von Seidl ein markantes Wahrzeichen, das rasch zur Sehenswürdigkeit wurde. Das neue Schloss besteht aus einer Gebäudegruppe, verschiedener Einzelbauten in manigfaltiger Formensprache.

Außerehelich

Schlossherr Graf Waldemar Lobo da Silveira von Oriola (1854 – 1910) lebte seit seiner Eheschließung mit der verwitweten und acht Jahre älteren Marie Brena vorwiegend im neuen Schloss.

Immerhin stammen die Oriolas zwar aus einer außerehelichen Verbindung des portugiesischen Königs Alfono III mit der bürgerlichen Magdalena Gil, doch der Adelstitel wurde der Familie dennoch verliehen. Die aus Portugal stammenden Grafen waren nicht sehr begütert. Gattin Marie jedoch brachte beachtliche finanzielle Mittel mit in die Ehe.

Die Gastlichkeit im Haus der Oriolas war sehr groß und die Gästebuchaufzeichnung aus der Zeit künden von den Besuchen gesellschaftlicher Größen, die gerne kamen und manchmal über Wochen blieben. Gräfin Marie und Graf von Oriola legten viel Wert auf Kunst und Kultur. Nach dem Vorbild der Mutter des Grafen, Maximiliane von Oriola, geborene von Arnim, wurde das Haus mehr und mehr zum gefragten literarischen Salon.

Es waren private und gesellschaftliche Treffen, bei denen Lesungen oder musikalische Veranstaltungen stattfanden. Nach historischen Zeugnissen muss viel diskutiert und gefeiert worden sein. Als Enkel des Dichterpaares Achim und Bettina von Arnim lag es dem Grafen nahe, die familiär geprägten gesellschaftliche Tradition auch in Büdesheim aufleben zu lassen. Den Gästen standen vielfache Annehmlichkeiten zur Verfügung wie 18 Reitpferde, ein Tennisplatz, Kegelbahn und ein Schießstand zur Verfügung. Ausritte, Kahn- oder Kutschfahrten in die Umgebung sorgten für Abwechslung. Mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Vilbel und Stockheim im Jahr 1908 war die Anreise für die Gäste nicht mehr so beschwerlich wie mit der Kutsche. Beispielsweise waren Bill von Bismarck, der damalige Landrat von Hanau, die Fürstin Johanna von Bismarck und Kaiserin Viktoria Gast im Hause der Oriolas. Die bekannte Pianistin Clara Schumann war sehr häufig im Schloss zu Büdesheim. Mit Clara Schumann unterhielt die Hausherrin einen regen Austausch und freundschaftlichen Briefkontakt. Die beiden Frauen schienen sich sehr verbunden und schätzen sich gegenseitig. So wurde auch Schumanns Tochter Luise in der evangelischen Kirche zu Büdesheim am 24.11.1877 getauft. Der erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise setzte dem aufwendigen Leben im Schloss ein jähes Ende. Marie von Oriola bestattet ihren Ehemann in einem Mausoleum neben dem Büdesheimer Friedhof. Sie selbst liegt ebenfalls hier begraben. Der Besitz wurde von dem kinderlosen Grafenpaar an die Verwandten von Butlar vererbt, Mitte der 1950er Jahre ging er an das Land Hessen über. Heute ist das Schloss in Privatbesitz mit neun Eigentumswohnungen.