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Beim Aufbau Ost dabei

Mit guten Erinnerungen verbunden schaut Walter Lassek auf die Verschwisterungsurkunde zwischen Bad Vilbel und Brotterode. Er half damals dabei, die Verwaltung der Gemeinde nach der Wende und nach westdeutschem Vorbild aufzubauen. Heute gibt es zwischen den Verwaltungen kaum noch Kontakt. Foto: Kopp
Mit guten Erinnerungen verbunden schaut Walter Lassek auf die Verschwisterungsurkunde zwischen Bad Vilbel und Brotterode. Er half damals dabei, die Verwaltung der Gemeinde nach der Wende und nach westdeutschem Vorbild aufzubauen. Heute gibt es zwischen den Verwaltungen kaum noch Kontakt. Foto: Kopp

Am 9. November jährt sich der Berliner Mauerfall zum 25. Mal. Für den Bad Vilbeler Hauptamtsleiter Walter Lassek begann danach eine spannende Zeit. Denn er half in der Partnergemeinde Brotterode dabei, die Verwaltung nach westdeutschem Muster aufzubauen. Und er knüpfte dabei selbst Kontakte, die über die Politik und Administration hinausgehen.

Bad Vilbel. Überlegt hatte es sich Walter Lassek in den frühen 90er-Jahren schon, ganz in den Osten überzusiedeln. Viele Stellen als Hauptamtsleiter oder gar Bürgermeister waren frei, nachdem sich nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung eine neue politische Elite in der früheren DDR herausbilden musste. Da kamen erfahrene Leute aus dem Westen gerade recht. Doch Lassek entschied sich dagegen.

Gut verwurzelt

„Ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen“, sagt er rückblickend. Doch letztlich wollten beide nicht ihre Wurzeln kappen und in Bad Vilbel bleiben. Die Versuchung war da, aber für Lassek blieb es bei wiederholten Fahrten in die neue Partnergemeinde Brotterode in Thüringen, heute Teil der Stadt Trusetal in Thüringen. Die unternahm er mit seinem damaligen Chef und Hauptamtsleiter Walter Weiher für knapp drei Jahre. „Wir fuhren früh am Morgen los und hatten den ganzen Tag Besprechungen. Meistens fuhren wir dann am späten Abend zurück. Übernachtet haben wir dort selten“, blickt Lassek zurück.

Bei Null angefangen

Doch das Aufgabenpensum war immens. Bereits Wochen vor den monatlichen Terminen wurden Themen gesammelt und vorbereitet. Und dann im Stakkato in Sitzungen und Marathon-Treffen geklärt. „Es ging darum, eine Gemeindeverwaltung mit all ihren Facetten wie dem Satzungsrecht von Grund auf aufzubauen“, erinnert sich Lassek.

Und auch darum, unangenehme Entscheidungen zu treffen. denn aus den Zeiten des Sozialismus’ hatte die Gemeinde mit gerade einmal 3500 Einwohnern damals rund 90 Mitarbeiter der Verwaltung, bis hin zu Heizern für jedes einzelne öffentliche Gebäude. Klar war, dass einige ihre Posten räumen mussten. Doch es traf auch andere, denn nach der Wende galt es, die alten SED-Zöpfe abzuschneiden. „Viele wollten ihre Ärsche retten“, bringt es Lassek auf den Punkt. Doch die meisten, die vorher in der Verwaltung gearbeitet haben, hatten einen entsprechenden Hintergrund. Und die unbelasteten Bürger meist nur wenig Verwaltungserfahrung. „Doch die waren interessiert, haben oft telefonische Rückfragen gestellt“, erinnert sich Lassek. Die Aufbaustimmung war angekommen, „viele haben gesehen, das wir es ernst meinen,“

So hat man bei Null angefangen, „doch irgendwann hat sich die Sache eingespielt.“ Große Projekte standen an, alle Straßen und die Kanalisation mussten auf Vordermann gebracht werden. Die Stadt Bad Vilbel unterstützte dabei kräftig, bezuschusste den Partner zwischen 1990 und 2001 mit knapp einer Million Mark. Die flossen anfangs in Büromöbel, später in ein Feuerwehr- und andere Fahrzeuge, Schulbücher, Freizeit- und Sportanlagen, Kindergärten und in das „Haus des Gastes“, das Kurhaus des Erholungs- und Wintersportortes mit eigener Skisprungschanze. Auch von privater Seite gab es Unterstützung, wie Lassek aufzählt. Der Lions-Club übergab ein Fahrzeug für ärztliche Hausbesuche, das Bauunternehmen K.L. Schmidt half mit Geräten aus, stellte Kontakte her.

Private Kontakte

Auch andere Förderungen gab es: Geschäftliche Kontakte wurden vermittelt, „denn man musste damals gewaltig aufpassen, ob ein Anbieter seriös war oder nicht“, berichtet Lassek. Viele wollten die kommerzielle Unbedarftheit der Ossis ausnutzen, die schnelle Mark verdienen, ohne Gegenleistung zu bringen. „Wir wurden sowohl offiziell als auch privat um Hilfe gebeten“, blickt Lassek zurück. Die Stadt Bad Vilbel stand mit Rat und Tat zur Seite, siebte die Haifische heraus.

Das Großprojekt Erdgasversorgung für Brotterode übernahm schließlich mit Klaus Minkel ein Experte in Wirtschaft- und Energiefragen. Und auch privat kam einiges ins Rollen. Während der heutige Bad Vilbeler Bürgermeister, Dr. Thomas Stöhr, seine inzwischen von ihm geschiedene Frau in der Partnersatdt Brotterode finden sollte, waren es für Lassek private Einladungen, bei denen offen über das Leben in der früheren DDR gesprochen wurde. „Vielen hat man schon übel mitgespielt, auch wenn es Leute gab, die sagten, sie hätten schon gut gelebt und alles gehabt, was sie benötigten. Aber ich wurde immer freundlich empfangen“, sagt der heute 61-jährige Lassek.

Es war eine spannende Zeit, auch wenn der Kontakt zwischen den beiden Kommunen inzwischen spärlicher geworden ist. Privat gibt es ihn durchaus noch, offizielle Besuche sind zur Seltenheit geworden, auch wenn immer noch Einladungen ausgesprochen werden. Seit in Brotterode Bürgermeister Kurt Lachmund (FDP) im Juni 2011 sein Amt aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hatte und vom parteilosen Karl Koch ersetzt wurde, seien die Kontakte zwischen den Verwaltungen eingeschlafen. Doch Brotterode ist ja längst den Kinderschuhen entwachsen.