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Beziehungsarmut

Der Evangelist Johannes berichtet im 4. Kapitel von einer besonderen Begegnung Jesu. Jesus ist allein in der Mittagssonne an einem Brunnen. Eine einzelne Frau sucht durstig den Brunnen auf. Jesus bittet sie um einen Schluck Wasser. Irritiert fragt die Frau: „Du bist ein Jude und ich bin eine Samariterin. Wie kannst du mich da um etwas zu trinken bitten?“ Mit seiner Bitte an die Frau hat Jesus mindestens zwei soziale Schranken überschritten. Die Frau weist Jesus auf die kulturelle Grenze hin, die unsichtbar zwischen ihnen bestand. Die spätere Reaktion der Jünger Jesu verweist auf die geschlechtsspezifische Schranke. Doch Jesus besitzt die Freiheit, solche Grenzen ungehindert zu überschreiten.

Es entwickelt sich ein Gespräch zwischen beiden. Jesus interessiert sich aufrichtig für sein Gegenüber. So fragt er nach ihrem Mann. Kleinlaut gesteht sie Jesus ihre Beziehungsarmut ein. Und das obwohl sie mit einem Mann zusammen lebt. Doch dieser wie auch die fünf anderen zuvor kann ihre Sehnsucht nicht stillen. Jesus weiß um ihren wunden Punkt und lässt sie damit nicht allein. In dem weiteren Gespräch entdeckt sie, wer dieser Unbekannte für sie ist. Hier plaudert nicht irgendjemand belanglos mit ihr. Es ist der Bevollmächtigte Gottes, der den Kontakt zu ihr gesucht hat. Schlagartig begreift sie, dass Gott ihre soziale Isolation durchbrochen hat. Voller Freude zeigt sie sich ihrer Dorfgemeinschaft und berichtet von ihrem neuen Reichtum. Sie weckt dadurch bei den Einwohnern die Sehnsucht nach dieser besonderen Begegnung. Diese laden Jesus in ihr Dorf ein und suchen die Gemeinschaft mit ihm und durch ihn zu Gott.

Das Thema Armut ist sehr vielfältig. Mit Geld allein ist ihm nicht beizukommen. Viele Menschen leiden wie einst die Frau an Beziehungsarmut. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie keine Sozialkontakte haben. Sie leben womöglich in Beziehungen. Doch dabei bleiben sie einsam für sich. Zahlreiche Ausbruchsversuche aus dieser Isolation endeten in weiteren Enttäuschungen und Verletzungen. Hinzu kommen die ungeschriebenen Regeln, die strenge soziale Grenzen vorgeben. Diese Armut an echten Beziehungen wird durch Jesus von außen durchbrochen. Er konfrontiert nicht nur mit der eigenen Armut, sondern bietet auch deren Überwindung an.

Wer sich durch den Reichtum der Gottesbeziehung beschenken lässt, ist selbst frei zwischenmenschliche Grenzen zu überschreiten. Das sind dann Menschen, die ohne Vorbehalte auf ihre Mitmenschen zugehen. Lassen Sie sich wie die Frau am Brunnen von Jesus Christus beschenken. Als derart Beschenkte wollen wir in Bad Vilbel am Pfingstmontag aufstehen, konfessionelle Grenzen überwinden und miteinander Jesus feiern. So wie einst die Bewohner dieses Dorfes.

Fröhliche Grüße

Pastor Clemens Breest

Freie ev. Gemeinde Bad Vilbel