Können Sie es sich vorstellen, wie es ist, ungesalzenes Essen zu sich zu nehmen? Die Kinder würden lautstark protestieren, der Ehepartner überrascht innehalten. Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass wir immer Salz zu essen haben, die Kriegszeiten mit dem Salzmangel sind vorüber und wir leben auch nicht mehr in vergangenen Jahrhunderten, in denen das Salz selten und teuer war. Bis heute kennen wir die Redensart „Salz und Brot färbt Wangen rot“. In Zeiten von Krieg und Entbehrung wurde Menschen schmerzhaft bewusst, dass Mensch und Tier an Mangelerscheinungen und Kraftlosigkeit leiden, wenn sie zu wenig Salz zu sich nehmen.
„Ihr seid das Salz der Erde“, sagt Jesus in der Bergpredigt (Matthäus-Evangelium Kapitel 5, Vers 13). Wir Christinnen und Christen sind angesprochen, wir alle, nicht nur einige VIPs. Denn Jesus spricht zum normalen Volk.
Salz für die Erde zu sein bedeutet z.B., dass Kirche, dass Christinnen und Christen immer wieder die Aufgabe haben, kritisch Einspruch zu erheben – gegen Ideale von Schlankheit, Jugendlichkeit und Reichtum, die uns in Medien, Modezeitschriften und Börsenberichten vorgeführt werden. Kirche hat darauf zu beharren, dass Arbeit so gestaltet wird, dass sie auch Spaß macht und Menschen ausfüllt.
Das Salz würzt und löst sich dabei auf. Das Salz bleibt unbemerkt – solange es nicht fehlt. Da wird viel geredet vom Ende der Kirche, aber es kann sich niemand vorstellen, wie sehr die Kirche unserer Gesellschaft fehlen würde, wäre sie mit einem Mal nicht mehr da: Krankenhäuser, Altenheime, Diakoniestationen und Kindergärten würden wegfallen.
Kirche ist dazu da, wie das Salz zu heilen, zu bewahren und zu reinigen. Ihr Ort ist die Öffentlichkeit. Der Rückzug in die fromme private Existenz ist mit dem Bild vom Salz nicht vereinbar. Unsere Welt braucht Christinnen und Christen, die zum Würzen bereit sind. Eine kleine Menge Salz durchwürzt den ganzen Teig. Auch eine kleine Gemeindegruppe kann viel bewegen, wenn sie sich z.B. für den fairen Handel einsetzt.
Christliche Menschen haben dort ihren Platz, wo Leben perspektivlos geworden oder in Selbstzerstörung gefangen ist. Gerade dort erweist das Salz des Evangeliums seine reinigende, heilende und verbindende Kraft. Wenn unsere Welt und ihre Menschen spüren, dass sie für uns wichtig sind, dann wird die Art, wie Christinnen und Christen leben, auf andere abfärben und eine salzige Spur hinterlassen.
Es steckt eine Zusage in den Sätzen: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Wir müssen nicht erst zum würzenden Salz werden. Jesus führt uns vor Augen, dass wir es schon sind – auch wenn es uns manchmal gar nicht so vorkommt. Dieses Bildwort entlastet und befreit uns dazu, in Ruhe nachzudenken: Wo gilt es auch in diesem Jahr, uns zu engagieren und unsere Stimme zu erheben?
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann,
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde