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Den Menschen im Ahrtal das Lächeln zurückbringen

Dominic Sabato (links) und Andrew Stewart sind regelmäßig im Ahrtal vor Ort, um zu helfen. Kommen dann in einem Camp der Hilfsorganisation »Dachzeltnomaden« unter. Foto: Privat
Dominic Sabato (links) und Andrew Stewart sind regelmäßig im Ahrtal vor Ort, um zu helfen. Kommen dann in einem Camp der Hilfsorganisation »Dachzeltnomaden« unter. Foto: Privat

Karben. Drei Monate ist es her, dass die Flutkatastrophe im Ahrtal unzählige Menschen ihrer Existenz beraubt hat. Viele Helfer aus ganz Deutschland haben nach dem Unglück mitangepackt, darunter auch Dominic Sabato und Alexander Haid aus Karben. Die beiden erzählen, wie sich ihr Denken und Handeln durch die Aktion verändert haben.
Seit der Flutkatastrophe im Ahrtal sind drei Monate vergangen. Doch die Wunden, die in einer einzigen Nacht gerissen wurden, stehen noch immer weit offen. Zu einem Licht in dieser dunklen Zeit sind die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer geworden. Aus dem ganzen Bundesgebiet reisen sie in die betroffene Region, um sich tatkräftig am Wiederaufbau zu beteiligen. Für ein Wochenende, eine Woche, in der Regel aber eher noch für länger nehmen sie eigene Entbehrungen in Kauf, lassen sich vom Arbeitgeber freistellen oder opfern ihren Jahresurlaub. Was die Männer und Frauen inmitten des Elends erleben, verändert ihr Denken und Handeln nachhaltig. Stellvertretend für alle Akteure erzählen Dominic Sabato und Alexander Haid, zwei Freunde aus Karben, von ihren wechselvollen Erfahrungen im Krisengebiet.
Am Anfang konnten die Männer die wahre Tragweite ihres Einsatzes noch gar nicht einschätzen. Alles sah eher nach einer Wochenendgeschichte aus. Doch das änderte sich schnell, als sie in Rupperath, einem Dorf südöstlich von Bad Münstereifel, die »Dachzeltnomaden« kennenlernten. Der Karbener Bernd Müller hatte den Kontakt zu der ehemaligen Camper-Community hergestellt, die inzwischen im Ahrtal unter der Führung von Dennis Brandt und Thilo Vogel als Hilfsorganisation agiert. Fünf Helfer-Camps verteilen sich an den Brennpunkten in der Katastrophenregion.
»Wir waren insgesamt vier Wochen dort«, berichten die beiden Helfer. »Unsere Arbeitgeber haben uns teilweise freigestellt, oder wir mussten Urlaub nehmen.« In Rupperath leben sie als große Gemeinschaft. »Wir wohnen in Zelten, die auf den Dächern der Autos angebracht sind. Zusätzlich steht einigen Freiwilligen auch das Gemeindezentrum von Rupperath offen.«
Unter der Woche seien durchschnittlich 30 bis 40 Leute vor Ort, an den Wochenenden 90 bis 120. Die Helfer kommen sogar aus den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Rund 20 Prozent der Gemeinschaft seien »Vollzeit-Freiwillige«, die bis zum Ende der Hilfsaktion vor Ort bleiben wollen. Also auch während der kalten Jahreszeit, bei immer schlechter werdenden Wetterverhältnissen. Ein Einsatzort der vergangenen Wochen war der schwer verwüstete Ort Mayschoß im Landkreis Ahrweiler.
Die Atmosphäre im Camp sei irgendwie eigenartig und doch sehr familiär, sagt der 39-jährige Sabato. »Alle sind aus dem gleichen Grund dort, um Mitmenschen in Not zur Seite zu stehen. Es spielt keine Rolle, wer man ist oder woher man kommt – das gemeinsame Ziel und die Dankbarkeit der Betroffenen geben uns den nötigen Rückenwind.«
Alexander Haid gibt Einblicke in die strapaziöse, nicht ungefährliche Arbeit. Zunächst müssten die beschädigten Häuser entkernt und somit quasi in den Rohbauzustand zurückversetzt werden, erklärt er. Giftstoffe, wie zum Beispiel Heizölreste, seien für Schimmelbildung und verloren gegangene Bausubstanz verantwortlich. »Das muss alles raus. Mehr können wir an den Häusern erst mal nicht machen.« Viele Bewohner seien bei Verwandten oder in Ferienwohnungen untergekommen. »Einige wohnen aber auch noch in den oberen Etagen der Häuser.« Haid und Sabato wissen, dass das eigentlich keine gute Idee ist. Denn wo die Helfertrupps mit Atemschutzgeräten unterwegs sind, nehmen die Bewohner Gerüche oftmals kaum mehr wahr und atmen die Schadstoffe ein.
Verzweiflung und oft auch ein großes Mitteilungsbedürfnis begegnen den Trupps auf den Baustellen. »Wenn Betroffene reden wollen, hören wir ihnen zu«, sagt Sabato. »Das ist wichtig. Viele wissen nicht, wie’s weitergehen soll. Sie sind enttäuscht von der medialen Vergesslichkeit und vom Krisenmanagement der Regierung.«
Schalter umzulegen
ist schwer

Die Helfer aus Karben spüren, dass sich etwas in ihnen selbst verändert hat. Trotz der schlimmen Bilder erachten sie die positiven Aspekte als wegweisend für ihr weiteres Leben. Sie sind sicher: »Die erlebte Solidarität und Menschlichkeit vor Ort werden uns immer in Erinnerung bleiben.« Banalitäten des Alltags seien ohnehin ad absurdum geführt worden. Deswegen falle es ihnen auch in vielerlei Hinsicht schwer, einfach den Schalter umzulegen. Im Ahrtal werden jetzt die Perspektiven fürs kommende Frühjahr geschaffen. »Bald geht’s wieder hoch«, kündigt Dominic Sabato an. »Dann rocken wir wieder alle zusammen und bringen dem Ahrtal sein Lächeln zurück.«
Von Jürgen Schenk