Veröffentlicht am

Dickere Bretter bohren – Leiter der Haupt- und Realschule wollen keine Mittelschule – sondern Abschlüsse, die etwas zählen

Bad Vilbel. Durch mehr Berufspraxis sollen Haupt- und Realschulabschlüsse aufgewertet werden. Das neue Mittelschule-Modell der Landesregierung ist für die John-F.-Kennedy-Schule (JFK) jedoch keine Offenbarung. „Wir sind schon viel weiter“, sagt die Schulleitung. Auf Initiative der Frankfurter Neuen Presse diskutierte der Landtagspolitiker und Bad Vilbeler CDU-Vorsitzende Tobias Utter das neue Landeskonzept mit der JFK-Schulleitung.

Die Mittelschule sei gerade mal anderthalb Wochen alt, so Utter. Die CDU-FDP-Landesregierung wolle die neue Schulform auf freiwilliger Basis ermöglichen. Es gehe auch darum, manche Hauptschul-Standorte überhaupt zu erhalten. Im Wetteraukreis könnten in einigen Regionen bald Schulangebote fehlen.

Die Mittelschule ermögliche weiterhin getrennte Haupt- und Realschulabschlüsse, setze aber einen Schwerpunkt auf die berufliche Praxis. Vielen Schülern sei am Ende ihrer Schulzeit gar nicht klar, was sie beruflich machen sollten, so Utter. Die Mittelschule solle mit Berufsschulen als Partner kooperieren und ein bis zwei Tage in der Woche berufliche Praxis ermöglichen. Zu JFK-Rektor Peter Mayböhm gewandt meinte Utter: „Was hier schon geglückt ist, wird nun landesweit zum Modell erhoben.“

Der Schulleiter der Haupt- und Realschule mit integrierter Förderstufe, sein Stellvertreter Markus Maienschein und Konrektor Manfred Ochs hatten zuvor betont: „Wir arbeiten schon erfolgreich und haben keinen Grund, da draufzuspringen.“ Nur zehn Prozent der Kennedy-Schüler machten den Hauptschulabschluss, 80 bis 90 Prozent qualifizierten sich für Berufsfachschulen. Seit Jahren gebe es an der JFK in den Klassen Acht und Neun Praxistage, in denen die Schüler Berufserfahrung sammeln können. Trotz der Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen, wechselten 30 Prozent der JFK-Schüler durch die Praxistage direkt in eine Ausbildung, so Ochs.

Es ist nicht die Hauptschule, die Mayböhm die größten Sorgen bereitet, sondern die Realschule. Die JFK stehe in Bad Vilbel nur mit dem Georg-Büchner-Gymnasium im Wettbewerb – und die Präsentationen an Grundschulen sind für die Kennedy-Pädagogen jedes Mal eine herbe Enttäuschung. Maximal 15 Prozent eines Grundschuljahrgangs werden angemeldet. Nach der neunten Klasse seien plötzlich 35 Prozent da, weil viele Gymnasiasten abbrächen. „Mayböhm betont: „Wir müssen uns durch hohe Qualität profilieren und viel dickere Bretter bohren. Die Mittelschule brauchen wir nicht.“

Um solche Abbrecher-Karrieren zu verhindern, möchte Mayböhm, dass der Realschulabschluss aufgewertet wird. Er kritisiert, dass der Abschluss bisher automatisch mit dem zehnten Gymnasialschuljahr miterworben wird – ebenso, wie die Neuntklässler in der Realschule ohne weitere Prüfung den Hauptschulabschluss erhalten. Mayböhm wünscht sich von Utter und der Landespolitik eine stärkere Rückendeckung bei den Schulempfehlungen. Am liebsten würde er die Wahl der weiterführenden Schule in Stufe Sieben nicht den Eltern, sondern den Pädagogen überlassen. Utter entgegnete, das ginge kaum, weil es als Bevormundung empfunden werde. Stattdessen müsse betont werden, dass eine Hauptschulempfehlung keine Sackgasse sei, dass es eine große Durchlässigkeit auch nach oben gebe. Auch Utter kritisierte die Fixierung der Eltern allein auf den Gymnasialzweig: „Jeder möchte nur den höchsten Schulabschluss, aber nicht das Beste für sein Kind.“

Irene Utter, die CDU-Kreistagspolitikerin und Leiterin des Arbeitskreises Bildung des Wetteraukreises, ergänzte, in Bad Vilbel sei der Anteil der Eltern, die ihre Kinder aufs Gymnasium schicken wollten, besonders hoch – etwa 80 Prozent. Meist liege der Schnitt bei 50 bis 60 Prozent. „Es wird viel Angst erzeugt“, meinte Tobias Utter.

Eltern wollten sich schon mit Beginn der fünften Klasse auf die höchste Schulform festlegen. Doch das sei keine Garantie mehr für späteren Erfolg: „Viele Schüler schaffen danach gar keine Ausbildung.“ Außerdem boomten viele handwerkliche Berufe. Schulerfolg, so Utter, messe sich nicht nur an der Hochschulreife, sondern daran, ob es den Schülern später gelinge, im Leben zurechtzukommen – und es selbst zu gestalten.