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Die letzte Reise des „rasenden Reporters“

Bad Vilbel. Im Alter von 85 Jahren ist nach langem Leiden am 16. Juli der Bad Vilbeler Journalist Jochen Boehnke gestorben. Er leitete in den 70er Jahren den „Bad Vilbeler Anzeiger“ und war ab 1993 fast zehn Jahre lang freier Mitarbeiter dieser Zeitung und der „Frankfurter Neuen Presse“. Als „unser rasender Reporter“ kannte er diese Stadt und viele ihrer Menschen wie kein Zweiter.

Jochen Boehnke war ein fleißiger Lokalreporter mit breitgefächertem Interesse. Er berichtete über Vereine und Kultur, über Bürgerinitiativen und Stadtpolitik. Es gab nichts in dieser Stadt wofür er sich nicht interessierte.

Jahrelang gehörte er als Stadtverordneter der SPD dem Vilbeler Parlament an, war zeitweise auch Mitglied im SPD-Vorstand. Als Rentner fand er in der Bad Vilbeler CDU eine neue politische Heimat. Am richtigen Aufblühen der ehemaligen „Frankfurter Schlafstadt“ Bad Vilbel hatte er viel Freude, wurde ein Bewunderer der „Minkel’schen Kommunalpolitik, denn die hat Hand und Fuß“, sagte er.

Jochen Boehnke, am 6. März 1924 in Hamburg als jüngstes von drei Geschwistern in einer Kaufmannsfamilie geboren, verbrachte einen großen Teil seiner Kindheit in Dänemark. Und als Bewohner der Hansestadt träumte der kleine Jochen davon, einmal Schiffsingenieur zu werden. Er begann also eine Schiffsbau-Lehre bei „Bloom & Voss“ in Hamburg,. Aber der Krieg kam dazwischen. Mit 17 wurde er in die Wehrmacht eingezogen, „kämpfte“ zunächst zwei Jahre lang in Kopenhagen, wo er als Funker und Dolmetscher tätig war. Dann kam der Marschbefehl zum „Unternehmen Barbarossa“. Unterwegs aber änderte sich die Zugrichtung, so dass Boehnke mit den Kameraden schließlich in Stampalia, in Griechenland, ankam, wo man den Engländern gegenüberstand. Weil er dort vor lauter Hunger eine Ziege gestohlen hatte, wurde er zum Tode verurteilt und kam zum Strafbataillon der „999er“. Doch er hatte Glück, wurde begnadigt. Im Mai 1945 geriet er in Nordafrika, in der Nähe von El Alamain, in englische Gefangenschaft. „Das waren keine schlechten Jahre, es war geradezu eine wunderschöne Zeit“, schwärmte er in Erinnerung an seine Auftritte mit Hans Clarin in der Theatergruppe der Gefangenen. Als Darsteller wirkte er in Shakespeare-Stücken mit, und als Baron Münchhausen betraute man ihn gar mit der Hauptrolle. Oft und gerne sang er Seemannslieder mit sonorer Stimme.

Ende 1948 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen. Während eines Soldatenurlaubs in Hamburg lernte er Margot Bill aus Bad Vilbel in der Hansestadt kennen, die dort kriegsverpflichtet war. Vergessen hatte er sie nicht, also zog es Jochen Boehnke 1948 nach Bad Vilbel, wo auch sofort geheiratet wurde. Zwei charmante Töchter, Claudia und Cornelia, erblickten alsbald das Licht der Welt. Bald war er nicht nur „stolzer Vater“, sondern auch „doppelter Opa“ von Billy und Tanja, sodann vierfacher Uropa.

Arbeit fand er zunächst als Techniker bei der Frankfurter Eisenbahndirektion, kam danach zum „Bad Vilbeler Anzeiger“, von wo er als Werbeberater zu den „Frankfurter Nachrichten“ wechselte, um als Rentner dann erneut seine Liebe für den Lokaljournalismus zu entdecken.

Als Rentner hatte er viele Hobbys, mal züchtete er Orchideen, „die erotischste aller Blumen“, wie er sagte, und wintersüber befasste er sich oft mit Modelleisenbahnen. Und manchmal zeigte er eigene Kurzfilme und Fotos in seinem kleinen Studio. Besonders gerne sang er Seemannslieder, am liebsten Hans Albers „Mein Freund Jonny“. Auf Reisen nahm er gerne seine Enkelkinder mit, zeigte ihnen – wie etwa in Verdun – viele Sehenswürdigkeiten. Rührig und erfolgreich engagierte er sich im „Freundeskreis Flüchtlingshilfe“ für die Integration von Ausländern und konnte so vielen Menschen helfen.

Die Demenzerkrankung, an der er lange litt, bereitete ihm und seiner Familie große Probleme. Jochen Boehnke verstarb am Donnerstag, 16. Juli, zu Hause.

Die Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung findet am Freitag, 24. Juli, um 13 Uhr in der Trauerhalle auf dem Friedhof an der Lohstraße statt.