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Die neue Stärke der NATO

Zu Gast in Bad Vilbel: Generalleutnant Alfons Mais (links) und der Präsident des Bad Vilbeler Rotary Clubs Andreas Freiling kennen sich seit der Schulzeit. Foto: Patrick Eickhoff
Zu Gast in Bad Vilbel: Generalleutnant Alfons Mais (links) und der Präsident des Bad Vilbeler Rotary Clubs Andreas Freiling kennen sich seit der Schulzeit. Foto: Patrick Eickhoff

Bundeswehr-Generalleutnant Alfons Mais zu Gast beim Rotary Club

Bad Vilbel. Hoher Besuch in der Quellenstadt. Bundeswehr-Generalleutnant Alfons Mais hat in der vorigen Woche Mitgliedern und Gästen des Bad Vilbeler Rotary Clubs Einblicke in seine Arbeit und die Bundeswehr gegeben. Dabei sprach der 60-Jährige auch über den Krieg in der Ukraine.

Es war ein Satz mit dem Alfons Mais seine Bekanntheit in Deutschland schlagartig erhöht hat. Am ersten Tag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine schreibt Generalleutnant Alfons Mais, dem bei der Bundeswehr rund 64 000 Soldaten und Soldatinnen unterstellt sind, bei Linkedin: »Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da. Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert.«

Drei Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg
Es folgten mehr als 140 Interviewanfragen – keine davon nimmt Mais an – sowie unzählige Berichte über die Ausstattung und Ausrüstung der Bundeswehr. Doch wie steht die deutsche Bundeswehr eigentlich da? Am Montagabend referierte der 60-Jährige in kleiner Runde beim Rotary Club Bad Vilbel über die Entwicklung des Heeres, den Konflikt in der Ukraine und seinen persönlichen Werdegang.

Alfons Mais’ militärische Laufbahn begann 1981 in der Heeresfliegertruppe. Der Generalleutnant blickt auf vier Auslandseinsätze – zwei in Afghanistan, zwei auf dem Balkan – in 41 Dienstjahren zurück. Heute ist er Inspekteur des Heeres und Generalleutnant. »Damit hätte ich damals natürlich nicht gerechnet. Schließlich wollte ich ja nur fliegen.« Nach Vilbel bringt ihn an diesem Abend die lange Freundschaft mit Rotary-Präsident Andreas Freiling.

Mais skizzierte einen Wandel der Aufgabenschwerpunkte bei der Bundeswehr. »Positiv wahrgenommen werden wir ohnehin nur, wenn es eine Flutkatastrophe gibt.« Die Aufgaben der Bundeswehr seien längst nicht mehr so einfach zu unterteilen wie die Streitkräfte in Heer, Luftwaffe und Marine. Mais berichtet beispielsweise vom zentralen Sanitätsdienst oder dem Cyber- und Informationsraum. »Es gibt viele Aufgabenbereiche.«

Anschließend blickte der 60-Jährige auf einige Auslandseinsätze und politische Entscheidungen zurück. Man habe Schritt für Schritt die Vollausstattung der Streitkräfte abgeschafft. »Die Landes- und Bundesverteidigung wurde auf der Prioritätenliste zurückgestellt.« Es sei auch bei Auslandseinsätzen prozessorientiert gearbeitet worden. »Wenn Sie mir etwas als Aufgabe geben, dann sind wir in zwei bis drei Jahren fertig. Das bekommen wir gut hin. Aber wenn wir jetzt bereitstehen sollen, dann können wir das nicht. Das habe ich gemeint mit dem ›blank dastehen‹. Das bezieht sich auf die Landes- und Bundesverteidigung und unsere Fähigkeit aus dem Stand Großverbände – Divisionen und Brigaden – verfügbar zu machen.«

Mais erläutert, dass mehr Struktur und Personal als Material vorhanden sei. »Stellen Sie sich vor, in Bad Vilbel gibt es mehrere Polizeiwachen, aber nur ein Auto. Und dieses Auto wird immer von Wache zu Wache weitergegeben. Das beschreibt den Zustand ganz gut.«
Der Generalleutnant machte deutlich, dass er für das politische Handeln Verständnis habe. »All die Entscheidungen, die getroffen wurden, waren rationale Entscheidungen, die man heute zwar als falsch ansehen muss, die aber damals richtig waren. Ich hätte sie auch so getroffen.«

Allerdings habe sich das 2014 geändert. »Die erste Krim- und Donbass-Krise war ein Weckruf, der nicht gehört wurde. In unserem Narrativ wurde das nicht als Krieg wahrgenommen. Es war aber selbstverständlich einer.« Jetzt sei man gravierend hinter dem Zeitplan. »Uns fehlen sechs Jahre. Kritik an der Bundeswehr geht daher am Thema vorbei.«
Der russische Angriff auf die Ukraine habe für Mais vor allem drei Erkenntnisse erbracht. »Die Relevanz von Bodentruppen. Sie kämpfen da, wo die Menschen leben.« Außerdem stehe die NATO geschlossener denn je. »Nichts geht alleine. Es geht nur gemeinsam. Der Spaltpilz, der versucht wurde zu säen, ist nicht zum Keimen gekommen.« Und der letzte Punkt: »Einstellung zählt. Wie die Ukrainer auf eigenem Territorium vorbereitet sind und vorgehen. Diese Einstellung und Willenskraft ist bemerkenswert.«

Auf die Frage, wie es in der Ukraine weitergehe und wie sich eine aktive Einmischung Deutschlands vermeiden ließe, blieb Mais sehr zurückhaltend. Er verwies dazu auf ein aktuelles Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. An ein schnelles Ende glaubt Mais nicht.
Für Deutschland werde der NATO-Gipfel in Madrid Ende Juni von Bedeutung sein. »Der wird einiges an Forderungen für unser Land mit sich bringen.«

Die NATO-Russland-Grundakte von 1997, in der unter anderem eine permanente Stationierung von NATO-Truppen in den östlichen Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, werde in Zukunft auch Thema werden. »Fakt ist, dass wir unsere Präsenz in Litauen schon erhöht haben und möglicherweise auf absehbare Zeit auch in der Slowakei präsent sein werden.« Mais sagte: »Dies ist im Bündnisrahmen erforderlich, denn Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.«

Von Patrick Eickhoff