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Die unhaltbare Legende vom „guten Nazi“ – Erbsenlesung – Familienchronik des Verdrängens

Bad Vilbel. Die Journalistin und Autorin Alexandra Senfft mit ihrer Familienchronik „Schweigen tut weh“ ist Gast bei der nächsten Erbsenlesung, zu der der Kunstverein für Donnerstag, 15. November, ins Kulturforum Dortelweil einlädt. Ab 19 Uhr wird die Erbsensuppe serviert und um 20 Uhr beginnt die Lesung.

In der im Frühjahr dieses Jahres erschienen Chronik beschreibt die 1961 geborene Alexandra Senfft die eigene, schwierige Familiengeschichte. Ihr Großvater Hanns Ludin war hochrangiger Nazi-Funktionär und seit 1941 als deutscher Gesandter in Bratislava auch für die Deportation der slowakischen Juden in die Vernichtungslager mitverantwortlich. Er wurde 1947 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Wie Alexandra Senfft aufzeigt, waren es in der Folge vor allem die Frauen in der Familie, die die „Legendenbildung“ prägten. Über die Rolle Hans Ludins im Zweiten Weltkrieg streiten seine Nachkommen bis heute und fühlen sich hin- und hergerissen zwischen Schuld und Loyalität (Malte Ludin, ein Onkel Alexandra Senffts, hat hierzu den Dokumentarfilm „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“, gedreht). Einfühlsam und mutig beschreibt Alexandra Senfft, wie die geliebte Großmutter die Legende vom ‚guten Nazi‘ kultiviert hat und ihre Kinder und Enkel seine wahre Rolle verdrängt haben. Sie schildert das Leben ihrer Mutter Erika, die als einzige von der Hinrichtung des Vaters wusste, aber nicht darüber sprach. Erika Ludin zerbricht an dem Konflikt zwischen Schuld und Loyalität und der Unfähigkeit, um den Vater zu trauern. Über das individuelle Schicksal Erika Ludins hinaus thematisiert das sehr persönliche Buch auch das für die deutsche Nachkriegsgeneration typische Verschweigen und Verdrängen innerhalb der Familie.

Eintrittskarten für diese Erbsenlesung kosten 12 Euro, für Mitglieder des Kunstvereins 8 Euro und für Schüler und Studenten 6 Euro, jeweils inklusive Erbsensuppe. (hah)