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Ein Haus bevölkern

Beim „Wohnen im Alter“ helfen sich die Bewohner in allen Lebenslagen – Projekt soll expandieren

Die Wohngemeinschaft aus der Ramonville-Straße fühlt sich wohl in ihrer Anlage. Jetzt soll sich eine zweite Wohngruppe entwickeln. Unser Bild zeigt (von links) Christel Zobeley, Brigitte Henkel, Hans-Jürgen Kuhl, Barbara Schwientek, Heike Hutchings, Angela Krämer-Galande, Louis Kiefer und Renate Breiter. Foto: Ihm-Fahle
Die Wohngemeinschaft aus der Ramonville-Straße fühlt sich wohl in ihrer Anlage. Jetzt soll sich eine zweite Wohngruppe entwickeln. Unser Bild zeigt (von links) Christel Zobeley, Brigitte Henkel, Hans-Jürgen Kuhl, Barbara Schwientek, Heike Hutchings, Angela Krämer-Galande, Louis Kiefer und Renate Breiter. Foto: Ihm-Fahle

Wie will ich später mal leben? Hoffentlich nicht einsam, heißt es oft. Rege Nachfrage besteht nach dem Projekt des Vereins „Wohnen im Alter“. So sehr, dass nun eine zweite Wohngruppe an den Start gehen will.

Karben. Renate Breiter hat kürzlich einen Entsafter gebraucht. Sie schrieb eine E-Mail und drückte auf „Senden an alle“. Kurz darauf kam Lothar mit einem Entsafter vorbei. Das ist der Vorteil, wenn man mit 26 Personen in einem Haus lebt, so wie beim Wohnprojekt „Wohnen im Alter“, kurz WiA genannt.

Gerade war Sommerfest in der Anlage in der Ramonville-Straße. Jeden Donnerstag gibt es ein gemeinsames Essen im Gemeinschaftsraum. Und einmal im Monat ist Mitgliederversammlung. Solche regelmäßigen Treffen tun etwas gegen die Einsamkeit im Alter. Gleichzeitig kann sich jeder bei Bedarf in seine eigene Wohnung zurückziehen.

Das Konzept kommt an. Mittlerweile gibt es eine lange Warteliste an Interessenten, die alle einziehen würden. Dazu wird es jedenfalls kurzfristig nicht kommen. „In absehbarer Zeit zieht niemand aus“, sagt Renate Breiter, die Vorsitzende der Gruppe.

Nicht einmal ein Café

Die Bewohner haben deshalb beschlossen, eine neue Wohngemeinschaft zu gründen, die ein ähnliches Projekt auf die Beine stellt. Im April gab es ein erstes Treffen dazu. Im Monatsrhythmus soll es weitergehen.

Zu den Mitwirkenden gehört Heike Hutchings aus Bad Vilbel. „Ich bin 65 Jahre alt und seit diesem Jahr in Rente“, erzählt sie. So wie auch sie interessieren sich knapp 20 Leute für das Projekt. „Das ist ordentlich“, stellt sie fest. Es handele sich dabei um Menschen, die allein leben und dies lieber anders hätten. „Im sozialen Bereich ändern sich ab einem gewissen Alter die Strukturen“, sagt Hutchings. Menschen in Mietshäusern kennten sich häufig nicht, seien berufstätig, hätten keine Zeit. Eine Mitstreiterin habe erzählt, in wie vielen Vereinen sie sei: „Es sind aktive Leute.“

Hutchings ist alleinstehend, die Freunde wohnen meist weiter entfernt. Und das Neubaugebiet, in dem sie lebt, sei nicht dafür gemacht, Freunde zu finden. Es gebe dort nicht einmal ein Café. Hans-Jürgen Kuhl, der stellvertretende Vorsitzende von WiA, kennt das. Bevor er und seine Frau beschlossen, in die Wohnanlage zu ziehen, hätten sie in einem Reihenhaus gewohnt.

Nachbarn ziehen weg

In dem Viertel habe ein sehr gutes Miteinander bestanden, doch nach und nach seien Nachbarn weggezogen. Da sich die Entwicklung wohl fortgesetzt hätte und das Haus nicht barrierefrei war, habe das Ehepaar den Umzug nie bereut.

Das neue Projekt heißt kurz „WiA 2“. Es soll eigene Schwerpunkte setzen, ein individuelles Konzept haben und kein Abklatsch des ersten Hauses sein. Dies allerdings, ohne das Rad neu zu erfinden. Das Gebiet, in dem das Haus errichtet werden könnte, ist laut Kuhl schon ausgemacht: „Es soll hier in der Nachbarschaft sein. Im Quellenquartier zwischen Luisenthalerstraße und Brunnenstraße.“ Das neue Projekt müsse mindestens so groß sein wie ihres, meint Kuhl. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) sei bereits informiert von dem Vorhaben. Er habe sich aufgeschlossen gezeigt.

Ein Problem waren allerdings die Kosten für manch einen, der gerne dabei gewesen wäre, sich aus finanziellen Gründen dann aber verabschieden musste. Denn die Errichtung der Anlage hatte zwar ein Bauträger übernommen, doch die Kaltmiete beträgt 12,50 Euro pro Quadratmeter. Zudem war eine Einlage von 600 Euro pro Quadratmeter zu zahlen, die innerhalb von 15 Jahren „abgewohnt“ wird. Nicht jeder kann sich dies leisten, allemal im Alter. Fördermöglichkeiten gab es damals nicht. Mittlerweile dürften auch die Grundstückspreise gestiegen sein. Die Förderung sei ein Punkt, über den die neue Wohngruppe noch mal nachdenken sollte, meint Hutchings. „Es kann ja sein, dass es mittlerweile Möglichkeiten gibt.“

Sich zum Mitmachen zu entschließen, lohne sich, erklärt Vorsitzende Breiter. Auf jeden Fall solle man nicht zu spät darüber nachdenken, in eine WG zu ziehen: „Es ist zum Scheitern verurteilt, wenn Kinder kommen und etwas für ihre 84-jährige Mutter suchen. Man muss sich einbringen.“