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Ein Pragmatiker

Erfahrener Staatsanwalt aus Karben leitet nun Staatsanwaltschaft Gießen

Wurde im April 1999 in Frankfurt Staatsanwalt, ist nun, 17 Jahre später, in Gießen Chef der Staatsanwaltschaft: Michael Bolowich. Foto: Deul
Wurde im April 1999 in Frankfurt Staatsanwalt, ist nun, 17 Jahre später, in Gießen Chef der Staatsanwaltschaft: Michael Bolowich. Foto: Deul

Der Karbener Michael Bolowich (50) ist neuer Leiter der Gießener Staatsanwaltschaft. Trotz großer Herausforderungen, von der Inter- netkriminalität bis hin zur Flüchtlingsproblematik, plädiert er dafür, mit Energie, Ruhe und Gelassenheit an die Aufgaben heranzugehen.

Karben. Der Leitende Oberstaatsanwalt Michael Bolowich (50) hat in Gießen die Leitung einer der größten Staatsanwaltschaften Hessens übernommen. Er trägt dort Verantwortung für derzeit 25 Staatsanwälte, elf Amtsanwälte sowie 85 weitere Mitarbeiter. In Gießen war er bereits einige Jahre als Oberstaatsanwalt und ständiger Vertreter des Leiters der Staatsanwaltschaft tätig.

„Sie sind der richtige Mann für diese Aufgabe“, lobte Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bei der Amtseinführung: „Seit fast zwei Jahrzehnten sind Sie bereits als Staatsanwalt tätig. In den letzten Jahren haben Sie die Staatsanwaltschaft in Fulda geführt.“

Bolowich begann seine Laufbahn als Referendar am Frankfurter Landgericht, promovierte 1994 über das Thema „Urheberschaft und reflexives Verständnis. Untersuchungen zur Grundlage einer strafrechtlichen Beteiligungslehre“. Im April 1996 wurde er in Frankfurt Staatsanwalt. „Ich habe nach dem juristischen Studium überlegt, welche Bereiche in Frage kommen, denn ich wollte Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen“, erinnert er sich. Es gehe ihm dabei um Recht und Gesetz, aber auch um die freie Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen.

Die Staatsanwaltschaft sei „keine klassische Partei im Verfahren, sondern ermittelt sowohl zulasten als auch zugunsten eines Beschuldigten“, erklärt er. Weil aber der Staatsanwalt „nicht bei den Taten dabei ist“, gelte es, nach Beweisen zu suchen. Trotz moderner Verfahren wie des Gentests sei man aber sehr häufig auf Aussagen angewiesen – „und Menschen sagen nicht immer die Wahrheit“, weiß Bolowich.

Wichtiger Grundsatz

„Im Zweifel für den Angeklagten“ sei ein wichtiger Grundsatz des Rechtsstaats, betont der Jurist – auch wenn er eigentlich manchmal das Gefühl habe, der Beschuldigte war doch der Täter. Er betont aber auch, ihm sei in seiner Laufbahn bislang noch kein Fall passiert, bei dem sich nachträglich die Schuld herausgestellt habe. Auch gebe es oft Ermessenserwägungen, keine Anklage zu erheben, etwa, wenn lediglich geringe Schuld und kein öffentliches Interesse gegeben sei.

Mit der Übernahme der Behördenleitung hat Bolowich eigene Ermittlungstätigkeit aufgegeben. Ein großer Reiz dieser Tätigkeit sei es, „Probleme in einer Dienststruktur mit den Menschen gemeinsam zu lösen“. Das Organisieren mache ihm „sehr viel Freude über das Ermitteln hinaus“. Da könne man zwar „nicht immer alle glücklich machen“, aber Verständnis schaffen.

Die Aufgaben einer Staatsanwaltschaft werden immer komplexer. Bolowich erinnert sich an den Beginn seiner Laufbahn, als etwa das Thema Internetkriminalität noch keine Rolle gespielt habe. Jetzt hat in Gießen auch die Zentralstelle für Internetkriminalität (ZIT) ihren Sitz. Auf eine hessische Bundesratsinitiative ist die Strafbarkeit der Datenhehlerei seit Ende vorigen Jahres ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden.

Aber auch die Flüchtlinge seien eine „sehr große gesamtgesellschaftliche Herausforderung“, so Bolowich. Auch dort dürfe es keinen „geschützten Bereich“ für Kriminalität geben, man müsse mit Energie, Ruhe und Gelassenheit agieren, „objektiv und ohne Aufregung“. Diese Gelassenheit prägt auch Bolowichs Arbeitsstil. Er sieht sich nicht als Sozialreformer oder Scharfmacher, sondern Pragmatiker. Die Gesetze böten „grundsätzlich genügend Möglichkeiten, um sachgerecht auf einzelne Verfahrenskonstellationen zu reagieren“, findet er.