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»Eine Frau der Tat«

Waltraud Reichert (hier mit Tochter Ingrid und Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD) beim Empfang anlässlich ihres 95. Geburtstages im AWO-Treff in der Wiesengasse. Foto: Christine Fauerbach
Waltraud Reichert (hier mit Tochter Ingrid und Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD) beim Empfang anlässlich ihres 95. Geburtstages im AWO-Treff in der Wiesengasse. Foto: Christine Fauerbach

Bad Vilbel. Mit einem Empfang bedankten sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der SPD Ortsverein Bad Vilbel bei Waltraud Reichert. Sie ist nicht nur Ehrenmitglied der AWO, sondern war auch die erste ehrenamtliche Stadträtin der Quellenstadt.
Waltraud Reichert ist eine Frau der Tat. Sie hält keine langen Reden, sondern sie handelt. Das hat ihr stets großen Respekt und viele Sympathien bei den Bürgern der Quellenstadt eingebracht. Dies zeigte sich erneut beim Empfang anlässlich ihres 95. Geburtstages im AWO-Treff. Aufmerksam hört die Jubilarin zu, als AWO-Vorsitzender Rainer Fich ihr im Namen aller Mitglieder und Genossen für ihren jahrzehntelangen Einsatz dankte.
Bereits 2012 hatte die AWO Waltraud Reichert zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. Da war Waltraud Reichert bereits lange eines der bekanntesten Gesichter, des 1946 gegründeten AWO-Ortsvereins, in den sie 1965 eintrat. Sie blickte damals schon auf 47 Jahre Mitgliedschaft und 35 Jahre aktive Vorstandsarbeit zurück. »Du warst verlässlich und immer da, wenn du gebraucht wurdest. Du hast uns stets gute Ratschläge erteilt, die auf deiner jahrzehntelangen Erfahrung als Ehrenamtliche basierten«, lobte Fich.
Mit 18 Jahren
nach Bad Vilbel

Geboren wurde Waltraud Kohlschütter am 13. Januar 1928 in Aussig an der Elbe (Sudentenland). Sie kam 1946 mit 18 Jahren nach Bad Vilbel. Die Mitgliedschaft in der AWO war für die aus einer alten sozialdemokratischen Familie Kommende selbstverständlich. In der AWO ist ihr Name mit vielen Aktivitäten verknüpft. Schülerhilfe, Kleiderkammer, Seniorenclubs in vielen Stadtteilen, die Vermittlung von Mutter-Kind-Kuren und Kindererholungen oder die Vermittlung gespendeter Möbel an bedürftige Menschen. Ab Mitte der 1960er Jahre hat sie mit Ehemann und Tochter Altpapiersammlungen durchgeführt, für die Unternehmen Lkw zur Verfügung stellten. In zwei Jahrzehnten sammelte sie 10 000 Zentner Altpapier. Damals gab es noch keine blauen Tonnen, erinnerte Fich.
Reichert engagierte sich bei Spendensammlungen an Haustüren, organisierte die Bewirtung von Senioren-, Weihnachts- und Faschingsfeiern, Herbstkonzerten – und bis in die Mitte der 1980er Jahre die Seniorennachmittagen auf dem Bad Vilbeler Markt mit jeweils mehreren hundert Besuchern. Im Vorstand mitgetragen hat sie die Einführung der Schuldnerberatung 2004, und das 2005 eröffnete »Café Kleeblatt« für an Demenz Erkrankte. Sie war mit Aktiven der Bürgeraktive verantwortlich für das Café »Gute Laune«, initiierte die Gruppe »Nadel und Faden« mit, hat beim AWO-Treff und in der Stadt ihre Handschrift hinterlassen.
Bis heute
an Politik interessiert

Ihr Motto lautete: »Immer mit der Zeit gehen.« In die SPD trat Buchhalterin Waltraud Reichert, die bis 1988 in einer Steuerkanzlei beschäftigt war, 1964 ein. Von 1964 bis 1968 war sie die erste ehrenamtliche Stadträtin, zuständig für Soziales. »Erich Glück war Bürgermeister, Walter Körber Erster Stadtrat und neben mir waren ehrenamtliche Stadträte Waldemar Kunath, Willi Seibold und Manfred Merz«, erinnert sich die Jubilarin. Und fügt lächelnd hinzu: »Das Entgelt hat immer gerade für einen Friseurbesuch gereicht.«
An Politik ist sie bis heute interessiert. Mit Ricarda Müller-Grimm gibt es mittlerweile eine hauptamtliche SPD- Sozialdezernentin in Bad Vilbel. »Leute wie du haben in der AWO und in der SPD Samen ausgesät, die aufgegangen sind«, betonte Fich.
Zu den Hobbys von Waltraud Reichert gehört Lesen. Ein weiteres großes Hobby war das Reisen. »Die Reiselust habe ich immer noch. Ich wollte nie nur am Strand liegen, sondern immer fremde Länder, Kulturen und Menschen kennenlernen.« Unter anderem ist sie mit 64 Jahren mit Zügen durch Sibirien, die Mongolei und die Wüste Gobi bis Peking und durch ganz China bis Hongkong gefahren, um dann zurück nach Hause zu fliegen. »Ich habe bereits als junges Mädchen davon geträumt, mit der Sibirischen Eisenbahn zu fahren.« Von Christine Fauerbach