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Endlich mitreden können

Füllen die Digitale Teilhabe Karben mit Leben: die Initiatoren Norbert Greulich und Michaela Eichwede. Foto: Sauer
Füllen die Digitale Teilhabe Karben mit Leben: die Initiatoren Norbert Greulich und Michaela Eichwede. Foto: Sauer

Karben. Ein Anruf im Notfall, ein Foto per WhatsApp, ein Arzttermin per Termin-App: Ein Smartphone bedienen zu können, bedeutet nicht nur Sicherheit, sondern auch einen Weg des Austauschs mit dem sozialen Umfeld. Die Digitale Teilhabe Karben unterstützt dabei seit nunmehr einem Jahr – mit höchst individuellen Angeboten für jede Altersgruppe.
Etwas Neues zu wagen, kann eine Prise Mut erfordern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulungsangebote der Digitalen Teilhabe Karbens wissen das. »Ich habe davon erfahren und war mir zuerst unsicher, ob ich hingehen sollte«, sagt beispielsweise ein 71-jähriger Karbener. »Hinterher war ich froh über meine Entscheidung, denn ich habe viel Wichtiges und Interessantes gehört und gelernt.« Ein Beispiel: die Benutzung von WhatsApp – für andere eine Selbstverständlichkeit, für ihn eine völlig neue Welt des Austauschs.
Digitale Teilhabe
ist soziale Teilhabe

Es ist nur einer von zahlreichen Erfahrungsberichten, der zeigt, was der etwas abstrakte Begriff digitale Teilhabe und die gleichnamige Karbener Initiative bedeuten – und dass diese gut ein Jahr nach ihrem Start Leben verändert hat. »Digitale Teilhabe bedeutet, dass wir die Menschen, die es bislang noch nicht konnten, so schulen, dass sie an digitalen Angeboten teilnehmen können«, erklärt Michaela Eichwede, die die Kooperation von Seniorencomputerzentrum (Secuz) und Mütter- und Familienzentrum (Müze) in Sachen digitale Teilhabe betreut.
Das reicht vom Gebrauch eines Handys zum Telefonieren über die Kommunikation per Whats-App bis hin zur Nutzung von Apps, um Bahntickets zu kaufen, das Burgfestspiel-Programm zu recherchieren oder Arzttermine zu reservieren. »Digitale Teilhabe bedeutet damit letztlich soziale Teilhabe«, fasst Eichwede zusammen.
Wie genau diese Unterstützung aussieht, ist dabei ganz unterschiedlich. »Manche können nicht einmal einen Notruf mit dem Handy absetzen, wenn sie zu uns kommen«, sagt Norbert Greulich vom Seniorenbeirat, der die digitale Teilhabe seit dem Start im Herbst 2022 gemeinsam mit Eichwede betreut und mit Leben füllt.
Vorwissen sei nicht nötig, betont er. Um allen eine gewinnbringende Schulung zu ermöglichen – gerade auch bei unterschiedlichem Wissensstand – arbeitet die Digitale Teilhabe mit einer Eins-zu-eins-Betreuung. Möglich sind individuelle Sitzungen, etwa wenn nur einzelne Fragen zu einer Anwendung bestehen, oder Schulungen in der Kleingruppe mit vier Personen.
Insgesamt 122 Beratungen für über 200 Menschen wurden zwischen November 2022 und Ende Januar 2024 angeboten. Auch eine Kaufberatung ist möglich, in der Regel üben die Teilnehmer aber auf dem eigenen Gerät. »Das ist angesichts der Vielzahl an Bedienungen und Systemen das Sinnvollste«, erklärt Greulich.
Für jede Marke und jedes Betriebssystem gibt es im Pool der insgesamt neun Ehrenamtlichen einen Ansprechpartner. Wie genau die Beratung dann ausgestaltet wird, ist so individuell wie die Fragen, mit denen die Menschen an die Profis herantreten. »Ich habe einen Teilnehmer, den ich seit nun 14 Sitzungen begleite«, erzählt Greulich, »und eine andere Dame, die gezielt mit einer Liste mit Fragen zu mir kam und nach einer dreiviertel Stunde zufrieden ging.«
Ebenso unterschiedlich wie der Beratungsbedarf ist dabei auch die Altersstruktur der Teilnehmer: Das Projekt richte sich prinzipiell an alle Altersgruppen, erklärt Eichwede. So habe sie auch schon eine unter 40-Jährige unterstützt, die bei ihren Kindern »mithalten« wollte. Und Greulich beobachtet bei einer von ihm betreuten Männergruppe im Johanniter-Stift ein nicht nachlassendes Interesse und Offenheit für digitale Themen. »Hier hat mich ein 93-Jähriger jüngst gefragt, was eigentlich KI ist«, sagt er. Also hat der 74-Jährige kurzerhand einen Vortrag über künstliche Intelligenz (KI) vorbereitet.
Dozenten im Ehrenamt
werden gesucht

Entstanden ist die Idee, die Digitale Teilhabe nach einem Vorbild der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) auch in Karben zu stärken, direkt im Seniorenbeirat, in dem das Müze auch vertreten ist – und sofort die Hand für eine Kooperation hob. Es folgte ein Aufruf, um die ehrenamtlichen Dozentinnen und Dozenten zu finden sowie eine Karben-weite Bedarfsabfrage, wo genau Unterstützung gewünscht wäre. »Wichtig war uns von Anfang an, nicht in Konkurrenz zum Secuz zu treten«, sagt Eichwede. Das gelingt gut: Während das etablierte Secuz mehr für die Nutzung des PCs – also beispielsweise Word, Excel oder PowerPoint – zuständig ist, geht es bei der Digitalen Teilhabe um Smartphone, Tablet, Apps und Co. In der Bedarfsabfrage sei genau das gefordert worden.
Auch dadurch erklärt sich wohl die hohe Zufriedenheit jener Teilnehmer, die einmal über ihren Schatten gesprungen sind. »Alles war neu für uns«, bilanziert eine Klein-Karbenerin für sich und ihren 90-jährigen Mann. »Nach nur drei Stunden Schulung nutzen wir jetzt jeden Tag WhatsApp mit der Familie und mit Freunden, wir tauschen auch schon Fotos aus.«
Von Jana Sauer