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Es bleibt die Sehnsucht nach dem Meer

Der Teich im Kurpark kann das Meer vielleicht nicht ersetzen. Doch Sophia Schulz fühlt sich in ihrer Heimat, der Wetterau, pudelwohl. Foto: Patryk Kubocz
Der Teich im Kurpark kann das Meer vielleicht nicht ersetzen. Doch Sophia Schulz fühlt sich in ihrer Heimat, der Wetterau, pudelwohl. Foto: Patryk Kubocz

Bad Vilbel/Karben. Sophia Schulz geht mutig voran. Die junge Frau aus Bad Vilbel ermutigt andere, ihren Leidenschaften zu folgen und zeigt, dass selbst in männerdominierten Bereichen wie der Seefahrt mutige Frauen erfolgreich sind. Ihre inspirierende Geschichte wurde mit dem STEM-Award der THM und des Zonta-Clubs Bad Nauheim/Friedberg gewürdigt.
Sophia Schulz ist verliebt. Verliebt ins Meer, aber auch in die Technik und in ihre Tätigkeit als Wartin der Kinderfeuerwehr in Bad Vilbel Kernstadt. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen spricht die 24-Jährige über ihren Werdegang und die Dinge, für die sie eine Leidenschaft entwickelt hat. Immer wieder muss sie sich die blonden Haare aus dem Gesicht streifen, wenn sie eine lustige oder kuriose Geschichte aus ihrer Zeit auf hoher See berichtet und dabei Lachen muss. Trotz unglaublicher Geschichten aus Singapur oder Vietnam erzählt sie diese in beruhigender Art. »Die Affinität zum Meer habe ich bereits seit der Kindheit. Wir waren oft an der Küste im Urlaub«, sagt Schulz. »Mein großer Bruder hat mich für Technik begeistert.« Unterstützt worden sei dies noch durch die Eltern, da sie »mir Spielsachen mit einem technischen Schwerpunkt gaben«.
Vom Schiff
zur Blaupause

Schulz’ großes Ziel: Kapitänin auf einem großen kommerziellen Kreuzer werden. »Bevor ich ein Nautikstudium anfange, wurde mir empfohlen, den Beruf von der Pike auf zu lernen«, sagt Schulz. Damit solle die Akzeptanz einer Crew erhöht werden, in einem Berufszweig, der vom männlichen Geschlecht dominiert wird. Nach ihrem Abitur 2017 beginnt Schulz eine Ausbildung zur Schiffsmechanikerin, eine Entscheidung, die ihre Leidenschaften für das Meer und die Technik verbindet. »Die Ausbildung ist auch ein guter Weg, um in die Seefahrt reinzuschnuppern«, sagt Schulz. Im Nautikstudium komme man erst spät dazu, die Weltmeere zu erkunden.
Ihre Ausbildung sei durch drei Faktoren geprägt gewesen: Die Berufsschule, die Zeit auf dem Meer und die langen Urlaubsphasen nach einem Seegang. Ihre Verbundenheit zur Wetterau sei sehr stark. Beinahe in jeder freien Woche kehre sie aus Travemünde nach Karben zurück. Hier verbringt sie viel Zeit mit ihrer Familie und Freunden. Deshalb kommt ihr noch während der Ausbildung der Gedanke, ob der Beruf der Kapitänin der richtige für ihren Lebensweg ist, sagt sie. »Ich habe mich dann dagegen entschieden und wollte zur Bundespolizei.« Selbstverständlich zur Küstenwache. Das Meer sollte weiterhin ein Teil ihrer beruflichen Laufbahn bleiben.
Doch dann spielt Schulzes Körper nicht mit. »Beim Fußball habe ich mir das Kreuzband gerissen.« Die Verletzung wirft sie zurück. Mindestens zwei Jahre müsse sie warten, bis sie bei der Bundespolizei anfangen könne. »Einfach warten und nichts tun kann ich aber nicht. Ich wollte mein Leben selbst in die Hand nehmen«, sagt Schulz entschlossen.
Sie beginnt ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Friedberg, zuerst nur, um »nachzuschauen, ob mir das Fach liegt«. Sie geht einen Deal mit sich selbst ein. Schulz sagt: »Ich habe dann beschlossen, die erste Klausurenphase anzutreten und zu schauen, wie viele ich bestehen kann.« Die 24-Jährige meisterte die Klausuren mit Bravour. Sie steht kurz vor ihrem Bachelor-Abschluss und möchte danach ihren Master machen. Auch eine Promotion ist möglich, sagt Schulz.
Eine Abkehr vom Traum, ein großes Schiff zu steuern, hin zum theoretischen Arbeiten an Bauplänen. Doch im Gespräch wird klar, dass Schulz niemand ist, der stringent einen Lebenstraum hat. Die Philosophie der 24-Jährigen lautet: »Ich bewerte situativ alles neu und setze mir neue Ziele. Genau dies hat sie auch getan, als sie vor zwei Jahren nach Bad Vilbel gezogen ist. Schulz wollte neben der Theorie in ihrem Studium auch praktisch an technischen Geräten arbeiten. Die Lösung: Die Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr. Nun betreut die 24-Jährige gemeinsam mit Ella Staat eine 15-köpfige Gruppe von sechs- bis zehnjährigen Kindern. An den gemeinsamen Treffen versuchen die beiden, den Kleinen mit Spaß die Aufgaben der Feuerwehr zu vermitteln. Diese Arbeit stellt auch einen Ausgleich für den theoriegeprägten Alltag dar, sagt Schulz. »Bei der Planung der Kinderfeuerwehr ist viel Kreativität gefragt. Wir wollen den Kleinen etwas bieten und ihnen Freude machen.«
Mit ihrer Ausbildung, dem Studium und der Feuerwehr ist Schulz in Bereichen aktiv, die von vielen als männlich konnotiert werden. »Ich bin meiner Passion nachgegangen und habe mir darüber nie Gedanken gemacht«, sagt Schulz. Bei ihrer ersten längeren Reise auf einem Containerschiff sei sie dennoch auf »viele Vorurteile gestoßen«. »Ich habe dann durch meine Kompetenzen und meine Arbeit die Männer vom Gegenteil überzeugt«, sagt Schulz und lacht. Aufgrund dieser mutigen Art ist Schulz zuletzt mit dem STEM-Award der THM und des Zonta-Clubs Bad Nauheim/Friedberg ausgezeichnet worden. Ihre Geschichte soll jungen Menschen vor allem eines vermitteln: Mut. »Ich kann jedem nur empfehlen, das zu machen, worauf er oder sie Lust hat«, sagt sie. Die Ausbildung zum Schiffsmechaniker sei unterrepräsentiert und für jeden etwas. Zumindest, wenn man nicht seekrank wird. Von Patryk Kubocz