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»Es gibt keine einfachen Lösungen«

Sie gestalten anlässlich des Jahrestages zum Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine das Friedensgebet in Dortelweil mit Worten und Tönen: Rainer Fich, Sylvia Widmann, Irina Buch und Corinna Nickoll. Foto: Fauerbach
Sie gestalten anlässlich des Jahrestages zum Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine das Friedensgebet in Dortelweil mit Worten und Tönen: Rainer Fich, Sylvia Widmann, Irina Buch und Corinna Nickoll. Foto: Fauerbach

Bad Vilbel. Russland führt seit einem Jahr Krieg gegen die Ukraine. Der Westen reagiert mit Bestürzung und Sanktionen. Am Jahrestag der russischen Invasion hatte die evangelische Kirchengemeinde Dortelweil zum gemeinsamen Friedensgebet eingeladen. Die Tür zur Kirche stand am Freitagabend weit offen und die Glocken läuteten. Auf den Kirchenbänken hatten zahlreiche Menschen Platz genommen, darunter Pfarrer Johannes Misterek.
Gestaltet wurde das Friedensgebet mit Worten und Musik von den Kirchenvorstandsmitgliedern Rainer Fich und Sylvia Widmann, Pianistin Irina Buch und Corinna Nickoll. Fich begrüßte und erinnerte, dass »am 24. Februar 2023 sich der Einmarsch Russlands in der Ukraine jährt.« Der Krieg selbst dauere dort schon viel länger. »Jeder Tag Krieg ist einer zu viel, weil Menschen sterben und fliehen müssen, weil Natur und Ressourcen zerstört werden. An einem Tag wie diesem tut es gut, Klage, Sorge und die Hoffnung auf Frieden im Gebet vor Gott zu bringen. Miteinander die Fragen zu teilen, die mit dem Krieg gekommen sind«, sagte Fich. Diese lauteten: Worauf traue ich? Was gibt mir Sicherheit? Was gibt einem Land Sicherheit? Was würde ich tun, wenn ich in den Krieg müsste? Ist den Waffenlieferungen der Politik das Wort zu reden? Was heißt christliche Friedensethik? Was kann ich, was kann die Kirche tun, um zum Frieden beizutragen?
In der Predigt mit zwei Stimmen »Du bist ein Gott, der mich sieht!« stellten Fich und Nickoll abwechselnd Fragen und Irritationen, die viele im ersten Kriegsjahr beschäftigten, biblischen Aussagen zum Frieden gegenüber. Das waren Fragen wie »Wo bleibt mein Traum vom Frieden?«, zu Waffenlieferungen »Made in Germany«, zu Menschen in der Ukraine ohne Obdach, aber auch zu Soldaten im Gefecht und Deserteure in den Wäldern. Aber auch, ob die Kirche für Waffenlieferungen sein kann? »Es gibt keine einfachen Lösungen« lautete die besonnene Antwort auf das ethische Dilemma.
Denn: »Sowohl durch Waffenlieferungen als auch durch die Verweigerung von Waffenlieferung nehmen Menschen Leiden und Sterben von anderen in Kauf«, sagte Fich. Nickoll erinnerte an das fünfte Gebot: »Du sollst nicht töten!« Frieden zu schaffen und Frieden zu erhalten seien anspruchsvolle Aufgaben. Für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft. »Waffen werden letztlich keinen Frieden bringen. Und eine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Waffenlieferungen, also Verteidigungs- oder Angriffswaffen, verwischt den Zweck aller Waffen: ihr Einsatz im Krieg«, so Fich.
Nickoll plädierte wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) für eine scharfe Kontrolle von Rüstungsexporten aus Deutschland und der EU sowie ein strenges Rüstungsexport-Kontrollgesetz. »Das würde zu mehr Transparenz beitragen, auch in Zeiten erhöhter Militärausgaben.« Kirchen seien sichere Orte im Gefüge einer unsicheren Welt. Sie öffneten ihre Türen zum Schutz für Geflüchtete, verteilten Essen und Medikamente und böten einen geschützten Raum zum Beten und Weinen, zum Gespräch. (fau)