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Flower-Power-Peole erobern die Burg – Musical „Hair“ plädiert leidenschaftlich für ein besseres Leben

Mit der diesjährigen Musical-Inszenierung wird es in der Burg wieder erheblich rockiger als in den Vorjahren: Mit dem Lebensgefühl der Hippie-Bewegung will das Hair-Ensemble die Festspielbesucher infizieren.

Bad Vilbel. Die Hippies der 1960er Jahre entern die Burg, wollen mit Spielfreude und musikalischer Energie Antworten suchen auf die auch heute noch aktuelle Frage: „Was ist ein gutes Leben?“ Zwar unterstützen die Sparkassen Oberhessen und Frankfurt die Produktion mit einem fünfstelligen Euro-Betrag, aber „Geld ist es nicht“, schließt Regisseur Daniel Ris eine mögliche Antwort von vornherein aus.
Peace und freie Liebe
Flower Power, Make love, not war, Drogenerfahrungen, freie Liebe, lange Haare, wallende Batikkleider und „Jesuslatschen“, psychedelisch Musik, Freiheit und individuelle Selbstbestimmung sowie damit verbunden Protest gegen Krieg und Gewalt, gegen erstarrte Familien- und Gesellschaftsnormen und auch staatliche Restriktionen – das sind die Stichworte, mit denen sich die Hippie-Bewegung charakterisieren lässt. Sie hat im Rückblick von mehr als vierzig Jahre viele Spuren im Leben und den Einstellungen der Menschen hinterlassen. Nicht nur positive und auch nicht nur beabsichtigte.
Regisseur Daniel Ris ist sich bewusst, dass eine heutige Hair-Inszenierung kein Skandal mehr hervorrufen wird, wie in den ersten Jahrzehnten seit der Uraufführung 1968 und wie auch noch bei dem legendären Film von Regisseur Milos Forman 1979. Ris, der die Vilbeler Burgbühne bisher nur als Schauspieler kennt (2006 bis 2009), setzt jedoch ganz auf die Kraft der Leidenschaften: „Mich hat der Film als 14-Jähriger voll erwischt.“ Das extrem positive Lebensgefühl von damals will er mit „Hair“ für das Publikum spürbar machen. Dabei sei er sich bewusst, dass es „so heute nicht mehr sein kann. Der Vietnamkrieg ist nicht Afghanistan, die Protestbewegung der Hippies ist nicht Occupy.“ Überlebt habe jedoch das Gefühl und die Sehnsucht nach Individualität, Freiheit, Frieden, der Wunsch, nicht fremd bestimmt zu sein.
70 Prozent Musik
Obwohl 70 Prozent der Handlung durch die Songs und die Musik erzählt werden und nur 30 Prozent durch Dialoge werde die Inszenierung „Hair“ nicht zu einer Rock’n’Roll-Revue mit Tanz degradieren. „Die Inhalte, um die es geht, sind mir sehr wichtig“, betont Ris. Um diese auch verständlich dem Publikum nahe zu bringen, werden so alle Songtexte in deutscher Übersetzung gesungen. Neben „Hair“, „Aquarius“ und „Hashish“ werden alle großen Hits des Musicals in der Vilbeler Burg zu hören sein, versichert Daniel Ris.
Eine tolle Party
Seine Inszenierung soll die Zuschauer emotional packen, in einen Rauschzustand versetzen mit dem dringenden Bedürfniss, „ich will einer von denen sein, will auf die Bühne und mitmachen bei dieser tollen Party“, ist Ris geradezu euphorisch.
Dass dieses Ziel erreicht wird, dazu wollen Choreografin Kati Farkas beitragen und Marty Jabara als Arrangeur und musikalischer Leiter der siebenköpfigen Live-Band. Jabara hat bereits schon zuvor mit Daniel Ris gearbeitet und ist Nachfolger von Thomas Lorey, der lange Jahre in Bad Vilbel gewirkt hat und nun nach Bochum zu „Starlight Express“ gewechselt ist.
Bei der Verpflichtung der zwölf Hauptdarsteller haben Regie und Intendanz darauf Wert gelegt, dass alle nicht nur singen und tanzen, sondern auch Theater spielen können. Mit Ausnahme von Raphael Koeb sind alle das erste Mal in Bad Vilbel dabei. Die Hippie-Sippe wird zudem von weitere zehn Ensemblemitglieder dargestellt.
Die Dramaturgie der Bad Vilbeler Hair-Inszenierung lehnt sich nicht an die 1968er Bühnenfassung von Gerome Ragni und James Rado an, sondern an den 1979 entstandenen Film von Hollywood-Regisseur Milos Forman.
Nach Vietnam?
Hair erzählt die Geschichte einer Gruppe langhaariger Hippies, die in New York leben und lieben und sich gegen die Einberufung als Soldaten für den Vietnamkrieg auflehnen. Der frisch vom Land hinzugestoßene Claude Hooper Bukowski, die junge Sheila und ihr charismatischer Zimmergenosse Berger leben in einer Dreiecksbeziehung in den Tag hinein. Claude gerät, hin und her gerissen zwischen den patriotischen Impulsen seiner bürgerlichen Herkunft und den im Kreise seiner neuen Freunde erstarkten pazifistischen Idealen, in einen inneren Konflikt: Soll er seinen Idealen missachtend der Einberufung nach Vietnam folgen, Menschen töten und selbst riskieren getötet zu werden? Oder soll er den Kriegsdienst verweigern?

Premiere von „Hair“ ist am Donnerstag, 13. Juni (nach Redaktionsschluss). Weitere Vorstellungen täglich bis 16. Juni; danach wieder vom 27. bis 30. Juni sowie bei weiteren Terminen im Juli, August und September.