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Gedächtnis auf 150 Seiten-Wo Bad Vilbeler in der Literatur ihre Spuren hinterlassen haben – Recherche kostete 8000 Euro

Bad Vilbel. Das sei „eine historische Stunde“, fand Vilbels Ehrenstadtrat Rüdiger Wiechers (CDU), der gemeinsam mit dem Kulturamt die Idee verfolgte, „das literarische Gedächtnis von Bad Vilbel zu erhalten“. Von den knapp 8000 Euro, die die Recherche bisher kostete, schoss er aus seiner Stiftung „Städte für Menschen“ die Hälfte zu. Den Rest trug der Verein für Kultur- und Sportförderung.

Das Ergebnis ist schon rein äußerlich vorläufig: ein nicht nummerierter knapp 150 Seiten dicker DIN-A-4-Stapel. Sie habe vor allem in Datenbanken recherchiert, sagt Wicke: nach dem Stichwort Vilbel und bereits bekannten Autorennamen. Als hilfreich habe sich dabei das System Google Books erwiesen – eine Suchmaschine, die vor allem in den USA große Buchbestände online zugänglich macht.

Der Fokus der Suche war zwar auf die Zeit nach 1945 gerichtet, doch fand Wicke auch etliche literarische Schätze. Ein Dokument aus 1861 beschreibt die „Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie“ an „meinen besundern guttenn Freundt“ Eittel vonn Vilbel. Eine schöne zeitgenössische Zeichnung der Wasserburg findet sich in dem 1862 veröffentlichten Londoner Wochenmagazin „Once a week“.

Vilbel wird dort als „lang ausgebreitetes Dorf an der trägen und oft schlammigen Nidda“ vorgestellt. Und im „Schweinfurter Tagblatt“ vom 8. Januar 1870 wird vom Rechtsstreit zweier Bürger vor dem Landgericht Vilbel berichtet. Sie stritten darum, ob der durchreisende König einen Helm oder eine Mütze trug. Neben solchen Fundstücken fällt die Akribie ins Auge, mit der akkurat alle auch nur gelegentlich publizierenden Vilbeler Bürger und Institutionen aufgelistet sind: von der Ingenieurfirma Lahmeyer mit „Grundsätze der Geschäftsethik“ bis hin zu dem CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Utter als Ko-Autor von „Kirche anders“ (2003). Der Teppichhändler Erfan Enayati als Mitautor von www.jetzt-die-welt-retten.de ist ebenso vertreten wie Pfarrer Adolf Freudenberg, der in der Nachkriegszeit die Siedlung Heilsberg mit aufbaute. Ein längerer „Spiegel“-Artikel über „Stephan Hermlins Lebenslegende“ verblüfft den flüchtigen Leser – bis er auf den Namen des HR-Literaturredakteurs Karl Corino stößt, der in Vilbel wohnte, als er den Literaturstreit um Hermlin auslöste.

Aufgeführt sind auch die Gratisblätter des Bad Vilbeler Verlegers Peter Gschwilm. Allerdings werden die drei in Bad Vilbel publizierenden Lokalredaktionen der Tageszeitungen überhaupt nicht erwähnt. Dies, obwohl sich Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) bei Pressekonferenzen mit Gästen von außerhalb oft lobend über die Pressevielfalt vor Ort äußert. Auf Nachfrage betonte Wiechers, die Zeitungen mit Redaktionen vor Ort müssten selbstverständlich in die Veröffentlichung mit aufgenommen werden. Das sind sie, zufällig, schon: als Quelle für Biografien anderer Schreibender.

In den Publikationen aus Bad Vilbel finden sich dafür so unterschiedliche Aspekte wie eine CD des Blasorchesters Massenheim sowie die Nahostkommission der Pax Christi. Und der Schriftsteller Peter Bichsel wird aus „Der Busant“ (1985) mit den Worten zitiert, Bad Vilbel sei „ein Kurort, der keiner ist“ – und ein Ort noch nicht realisierter Möglichkeiten: „Ich hab’ mir das ausgewählt auf der Karte. Vielleicht wählt sie das auch aus. Vielleicht ist sie in Vilbel, und ich bin hier, betrunken, mit einem betrunkenen Kellner.“ über Bad Vilbel in der Bücherwelt.l