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Heftige Anfeindungen – Impfaktion am GBG: 150 Jugendliche folgten Aufruf des Elternbeirates

Die Schulleitung distanziert sich von der Aktion des Elternbeirates und verweist auf die Impfkommission. Foto: Archiv
Die Schulleitung distanziert sich von der Aktion des Elternbeirates und verweist auf die Impfkommission. Foto: Archiv

Bad Vilbel. Mit einer Impfaktion hat der Schulelternbeirat am Georg-Büchner-Gymnasium für Aufsehen gesorgt. Gemeinsam mit der Praxis von Dr. Ansgar Schultheis organisiert Beiratsvorsitzender Jörg Bergamos Impftermine für Schülerinnen und Schüler. Was folgte, sind zwar »überwiegend positive Reaktionen«, aber auch Beleidigungen, die weit unter die Gürtellinie gehen.
Der Beiratsvorsitzende blickt mit etwas Sorge auf die Entwicklungen rund um neue Corona-Varianten. »Man hört schon viel von einer möglichen vierten Welle«, sagt er. Bergamos blickt in Richtung Herbst. »Wir wollen, dass der Unterricht diesmal stabil weitergeht.« Deshalb hat er sich etwas einfallen lassen: Eine Impfaktion für Schüler.
Üble Beleidigungen
und Hass-Kommentare

In einer E-Mail fragt Bergamos die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler ab. Doch dann eskaliert die Situation. Das Umfrageportal wird von Impfgegnern, Querdenkern und kritischen Eltern regelrecht bombardiert. In Kommentaren und Spalten heißt es: »Impferpressung – auf keinen Fall«, »Kindermörder«, »Kinder sind keine Versuchskaninchen« oder auch »Du gehörst in die Psychiatrie«. Jörg Bergamos ist geschockt. »Welche Ausmaße das annimmt, damit habe ich wirklich nicht gerechnet.«
Dabei hat er Verständnis für all jene, die ihr Kind nicht impfen lassen wollen. »Es gibt keine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe und ich wollte auch niemand unter Druck setzen.« Allerdings könne man diese Kritik auch sachlich äußern. »Dass wir als geisteskrank bezeichnet werden und uns schämen sollen, ist noch harmlos.« Manche Beleidigungen gehen weit unter die Gürtellinie. Viele Eltern hätten sich aufgeregt, dass es in der Umfrage kein Feld mit »Nein, ich lasse mein Kind nicht impfen« gibt, sagt Bergamos. »Dabei spielt es keine Rolle, weil es in der Umfrage darum ging, herauszufinden, wie viel Impfstoff denn besorgt werden muss.«
Die Schulleitung des Gymnasiums distanziert sich »ausdrücklich« von der Impfaktion. Leiter Carsten Treber sagt: »Derzeit gibt es keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren, sondern nur für Kinder und Jugendliche mit einem besonderen Risiko. Impfungen sind ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und bedürfen einer eingehenden Risiko-Nutzen-Analyse. Zur Sicherheit der Impfung bei Kindern gibt es bislang noch zu wenig Daten und Erfahrungen.«
Wenn sich Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen infizieren, sei der Krankheitsverlauf meist mild oder sogar asymptomatisch. Bei bestimmten Vorerkrankungen sei das Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung erhöht. »Für Kinder und Jugendliche mit diesen Erkrankungen gibt es eine Impfempfehlung. Es war zu keinem Zeitpunkt von mir intendiert, Personen zu einer Impfung zu drängen .« Richtig sei, dass es Absprachen zwischen ihm und dem Vorstand des Elternbeirates zu möglichen und sinnvollen Zeitfenstern für eine Impfung von Kindern und Jugendlichen mit Blick auf den Schulstart nach den Sommerferien gegeben habe. »Es wurden und werden allerdings keine schulischen Räume für die Impfung zur Verfügung gestellt .«
Das Robert-Koch-Institut, die Zulassungsbehörden und die Stiko prüfen kontinuierlich die Evidenzlage, die der Impfempfehlung zugrunde liegt, so Treber. »Diese kann und wird zum heutigen Zeitpunkt keinesfalls durch mich als Schulleiter ausgesprochen werden. Uns ist als Schule bewusst, dass die Impfung der Schüler für viele Eltern gerade nach der belastenden Zeit der Pandemie ein wichtiges und bedeutsames Thema ist. Jedoch steht die Sicherheit der Kinder an oberster Stelle.« Weshalb sich die Stiko gegen eine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren entschieden habe.
Boykott-Aufrufe und Doodle-Störungen
Jörg Bergamos kann diese Argumentation verstehen, die Anfeindungen allerdings nicht. 150 Schülerinnen und Schüler haben an der Aktion teilgenommen, sind an drei Tagen zur Impfung erschienen. »Damit bin ich zufrieden«, sagt er. Weniger glücklich ist er mit dem Echo, dass diese Aktion ausgelöst hat. »Es gab auch sehr sehr viele positive Nachrichten und Eltern, die uns den Rücken gestärkt haben, aber eben auch einige sehr unangenehme.« In einer Telegram-Gruppe, die sich laut Namen mit allem befasst, außer mit dem »Mainstream«, werden die »Mitglieder des Elternbeirates und der Arztpraxis »Verbrecher« genannt. »Es wird aufgerufen sowohl die Schule als auch den Arzt mit Anrufen und Flugblättern zu konfrontieren. Unsere Doodle-Umfrage wurde auch erneut gestört.«
Jörg Bergamos geht das zu weit. Er hat mittlerweile die Polizei eingeschaltet. Über den Zuspruch vieler Eltern ist er erfreut. »Auch Eltern, die keinen Impftermin für ihre Kinder ausgemacht haben, haben sich bei uns bedankt, Andere sind froh über das Engagement. Bei ihnen herrscht ebenfalls Entsetzen über die Anfeindungen.« Bergamos sagt: »Davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Ich bin froh, über die vielen positiven Nachrichten.«
Von Patrick Eickhoff