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Herr, gib uns täglich unser gesalzenes Brot … – Auf die EU sind deutsche Bäcker und viele ihrer Kunden schlecht zu sprechen

Bad Vilbel. Auf die EU sind die deutschen Bäcker derzeit ganz schlecht zu sprechen. Sie befürchten, dass eine geplante Richtlinie aus Brüssel ihrer Backtradition und dem Geschmack von Brot & Co. den Garaus bereiten könnte. Bereits zum 19. Januar wollte die EU-Kommission so genannte Nährwertprofile als Richtschnur für gesunde Lebensmittel vorgeben. Weil zu viel Speisesalz Herz- und Kreislauferkrankungen fördert, sollte der Salzgehalt im Teig auf maximal ein Gramm reduziert werden. Backwaren mit höherem Salzgehalt dürften dann nicht mehr als gesund beworben werden.

Das ärgert nicht nur den Dortelweiler Bäcker Uwe Rumpf. Er verwendet zwei Gramm Jodsalz pro Kilo Mehl. Das sei nicht nur ein Geschmacksträger, sondern stabilisiere auch den Teig, erklärt er. Einmal habe er aus Versehen kein Salz ins Brot getan: „Das konnte man gar nicht essen, so fad war es“. Außerdem sorge das Salz für die Festigkeit der Backwaren, den „Stand“, so der Bäckermeister und Konditor. Ohne die Beigabe müsse das Brot womöglich im Kasten stabilisiert oder flacher gebacken werden. Rumpf, der auch im Vorstand der Wetterauer Bäcker-Innung sitzt, hat für die Brüsseler Initiative nur eine Erklärung: „Da gibt es 15 000 EU-Rechtler, die wollen beschäftigt werden. Aber von der Praxis haben sie keine Ahnung“.

„Ohne das Salz schießt der Teig drauflos, treibt doppelt so stark aus“, schildert der Harheimer Bäcker Walter Seipler, der auch eine Filiale in Massenheim beliefert. Weil er 1150 Gramm Teig für ein Kilo Brot benötige, liege der Salzgehalt schließlich sogar unter einem Gramm. Das Resultat dessen „ist mit dem Brot von heute nicht mehr identisch“, sagt Seipler und beklagt die Regelung als weiteren Schritt in die Staatswirtschaft.

Die etwa 600 deutschen Brotsorten enthalten nach Getreideart bis zu zwei Gramm und mehr Salz. Ungesundes Weißbrot wäre nach der neuen EU-Regelung auf einmal wertvoller und gesünder als dunkles Brot. Einer, der das drohende „klebrige, komische Brot“ an maßgeblicher Stelle noch verhindern will, ist Eberhardt Groebel, Hauptgeschäftsführer der deutschen Bäcker-Innung. Der Berliner Lobbyist hat sich bereits auf dem kurzen Dienstweg mit dem Vorsitzenden des Bundestags-Unterausschusses für Europarecht getroffen, weil die Richtlinie „ohne die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle und der sachkundigen Mitwirkung“ zustande gekommen sei. Beamte aus den nationalen Ministerien hätten die Regelung nach den Vorgaben von EU-Kommission und Ministerrat umgesetzt. Im März soll es bundesweit einen „Tag des Kommissions-Brotes“ geben, bei dem Bäcker das salzlose Etwas zur Verkostung anbieten.

Rumpf erinnert sich an den Skandal um zu hohe Cumarin-Werte im Zimt – bis sich herausgestellt habe, dass man täglich 50 Zimtsterne hätte essen müssen, um gefährdet zu sein. Auch die Frischei-Verordnung sei gekippt worden. Wegen Salmonellen-Gefahr hätten die Bäcker danach keine frischen Eier, sondern nur noch vorbehandeltes Flüssigei benutzen dürfen.

Rumpfs Fazit ist eindeutig: „Der Kunde entscheidet, und sonst niemand!“ Dafür wünscht sich Rumpf eine Regelung, wie es sie in Frankreich gibt. Dort dürften sich nur jene Läden Boulangerie nennen, die auch selbst backen – und nicht nur, wie bei Filialisten, bloß aufbacken.