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Hürden des Alltags besser meistern

Axel Friedrich schraubt bis abends an den Fahrrädern. Foto: Schenk
Axel Friedrich schraubt bis abends an den Fahrrädern. Foto: Schenk

Karben. Der als Sondersitzung angekündigte Termin des Jugend-Sozial-Kultur-Ausschusses am Mittwochabend der Vorwoche war keine Sitzung im herkömmlichen Sinne. Vielmehr sollte mittels einer Führung die Flüchtlingsunterkunft in der Max-Planck-Straße vorgestellt werden. Dazu konnte das ehrenamtliche Flüchtlingshilfe-Team mehrere Vertreterinnen und Vertreter aus der städtischen Kommunalpolitik begrüßen. Für die erkrankte Ausschussvorsitzende Michaela Jörg (CDU) übernahm kurzfristig Laura Macho (Freie Wähler) die Leitung.
Im Keller des Gebäudes zeigte Hauspatin Elke Stelz zunächst wichtige Errungenschaften der Flüchtlingshilfe. In der Fahrrad-Werkstatt, die immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr öffnet, können Geflüchtete ihre Räder selbst reparieren. Notwendige Ersatzteile, Flickmaterial und Reparaturwerkzeug liegen dazu bereit.
Fahrräder und
Zubehör aus Spenden

»Fahrräder und Zubehör stammen aus Spenden«, erklärte Elke Stelz im Diskussionskreis. »Bisher wurden mehr als 200 Fahrräder abgeholt, repariert und ausgegeben. Die monatlichen Kosten werden aus der Spendenkasse gedeckt.«
Mobilität sei die Grundidee hinter dem Projekt. Fahrten zum Einkaufen, aber auch zum Deutschkurs, müssten erledigt werden. Aus dem Fahrradsattel heraus könnten die Asylsuchenden, gerade in der Anfangszeit, die völlig fremde Umgebung am besten erkunden, führte Stelz weiter aus.
Axel Friedrich kommt seit 2017 zum Schrauben in die Werkstatt. Der Fahrradexperte war früher »Radgeber« im gleichnamigen Geschäft am Groß-Karbener Bahnhof. Die Spendenfahrräder seien teilweise in schlechtem, aber auch sehr gutem Zustand, sagte er. »Einige sind nur noch zum Ausschlachten da. Für die allermeisten Räder können wir aber Fahrbereitschaft herstellen. Den Flüchtlingen gebe ich dabei die nötige Hilfestellung.«
Wichtig für die Hilfesuchenden ist auch das Büro auf der anderen Seite des Kellervorraumes. Dort bekommen sie praktische Unterstützung, um die Hürden im Alltag besser meistern zu können. Ehrenamtliche helfen beim Ausfüllen von Anträgen und beraten, wo es geht.
Anders als in einer »herkömmlichen WG«
Aber allein schon die Situation in der Flüchtlingsunterkunft selbst scheint alles andere als einfach zu sein. Bei den Zimmern im Parterre handelt es sich überwiegend um Zweibettzimmer. Laut amtlicher Verfügung müssen für eine Person sechs Quadratmeter Wohnraum vorhanden sein. In der Max-Planck-Straße leben allerdings auch Großfamilien. Und das Mobiliar, bestehend aus Tisch, Stuhl und Schrank, darf aus Gründen des Brandschutzes nicht um weitere Stücke ergänzt werden. »Dann wird es schnell ganz schön voll in den Zimmern, denn die Leute müssen ihre Sachen ja auch irgendwo unterbringen«, sagte Flüchtlingshelferin Ulrike Loos.
Werner Giesler merkte an, dass man im Falle der Flüchtlinge nicht von einer Wohngemeinschaft sprechen könne. »In einer WG kann man sich seine Mitbewohner aussuchen, hier ist das anders«, meinte der ehemalige Klein-Karbener Pfarrer. »Man kann zum Beispiel Kurden nicht zusammen mit Afghanen in einem Zimmer unterbringen. Das funktioniert nicht. Solche Fragen müssen auch immer bedacht werden.«
Die Verhältnisse in den Wohnräumen riefen am Mittwochabend ungläubige Gesichter hervor. Zwei Brüder ließen die Teilnehmer der Führung eintreten und stellten ihre Situation dar. 300 Euro Miete müssten sie pro Kopf monatlich bezahlen, sagten die jungen Männer. Stadt und Flüchtlingshilfe sprachen jeweils von 284 Euro. Beide Summen scheinen zu hoch angesetzt zu sein, denn die Wohnqualität kann keinesfalls mit mitteleuropäischen Ansprüchen korrelieren.
Hauspatin Elke Stelz erklärte den Ausschussmitgliedern die Finanzierung: »Bis zur Anerkennung als Asylberechtigter zahlt der Wetteraukreis die Mietkosten. Danach leistet das Jobcenter finanzielle Hilfen.«
Ziel sei es in jedem Fall, die Geflüchteten in ein Arbeitsverhältnis zu bringen. Genauso wichtig nannte sie das Erlernen der deutschen Sprache. »Etwa 50 Prozent der Menschen schaffen diesen Weg«, teilte Stelz mit.
Von Jürgen Schenk

Hilfskraft gesucht
Aktuell sucht die Flüchtlingshilfe Karben nach einer unterstützenden Hilfskraft. Der Arbeitsumfang beträgt acht Stunden in der Woche bei einem Stundenlohn von 11 Euro. Vorausgesetzt werden Selbstständigkeit, interkulturelle Kompetenz und Flexibilität. Die Arbeitszeit orientiert sich an den wahrzunehmenden Terminen. Bewerbungen können an E-Mail treffpunkt.mps@eco-consult.com gerichtet werden. (jüs)