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Kindertagesstätten am Limit

Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm. Foto: Eickhoff
Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm. Foto: Eickhoff

Bad Vilbel. Anfeindungen gegenüber Erzieherinnen und Erziehern, krankheitsbedingte Ausfälle, erhebliche Betreuungsprobleme: Die städtischen Bad Vilbeler Kitas sind am Limit. Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD), Fachbereichsleiter Jörg Heinz sowie seine Kollegin Carolin Hartmann werben in einem Elternbrief für Verständnis für die schwierige Situation.
Ihr Lächeln haben Jörg Heinz und Carolin Hartmann nicht verloren. »Auch wenn es momentan nicht viel Grund dazu gibt«, wie der Leiter des Fachbereiches Soziale Sicherung zugibt. Denn: Die Lage in den Kitas ist ernst. Krankheitsbedingte Ausfälle von Erziehern bringen den Normalbetrieb in Gefahr. Die Dienstpläne brechen zusammen. Eine Krankheitswelle sorgt dafür, dass die Betreuungszeiten in vielen Kitas derzeit stark reduziert werden müssen.
Carolin Hartmann, die das städtische Kita-Büro leitet, sagt: »Teilweise sind von 19 Erzieherinnen und Erziehern in einer Kita nur drei anwesend. Die sind natürlich am Limit.« Eine normale Betreuung sei so nicht möglich.
Ausfälle oft nur
kurzfristig ankündbar

Nicht alle Eltern haben dafür Verständnis. Sie werfen der Stadt vor »untätig zu sein«, wie Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD) sagt. »Und das können und wollen wir so nicht stehen lassen.« Derzeit sind 20 von insgesamt 150 Stellen in den städtischen Kitas unbesetzt. »Das Problem ist, dass wir die krankheitsbedingten Ausfälle aber auch in Kitas haben, in denen planmäßig alle Stellen besetzt sind. Dort ist es überhaupt nicht möglich dann auf die schnell nachzubesetzen«, sagt Müller-Grimm.
Jörg Heinz erläutert, dass bei den Ausfällen nicht nur Corona eine Rolle spiele. Eine schwangere Erzieherin beispielsweise müsse umgehend mit der Arbeit aufhören und falle aus. Seit diesem Jahr gebe es zusätzlich zum Urlaub zwei Regenerationstage. »Das gönnen wir den Erziehern, aber der Anspruch darauf, wird erneute Lücken in die Dienstpläne reißen.«
Eine Maske zu tragen sei in der praktischen Arbeit außerdem beinahe unmöglich. »Infektionen und Krankheiten verbreiten sich dadurch schneller. Wenn dann, die Eltern ihre Kinder krank in die Kitas schicken, dann geht’s noch schneller.« Das sei in den vergangenen Wochen und Monaten wieder vermehrt vorgekommen. »Teilweise berichten die Kinder davon, dass sie Zaubersaft bekommen haben. Oder dass sie nachts sich übergeben mussten, es aber eigentlich nicht erzählen sollen.«
Krankheitsbedingte Ausfälle bei Erzieherinnen und Erziehern könne man natürlich auch nur sehr kurzfristig ankündigen. »Deshalb tut es uns natürlich Leid, dass der Frust beim Abgeben der Kinder gegeben ist. Aber wenige Ausfälle kann die Leitung meist auffangen. Das Problem ist, dass sich das Bild, wer da ist und wer nicht, auch erst am Morgen zusammensetzt«, fügt Hartmann an.
Jörg Heinz berichtet, dass manche Eltern »schnelle kurzfristigen Ersatz aus erziehernahen Berufen« fordern würden. »Das mag in der Theorie logisch sein. Aber auch im Bereich der Kinderkrankenschwestern, Tagesmüttern, Hebammen und Co. wird ums Personal gekämpft.« Schließlich gehe die Bertelsmann-Stiftung davon aus, dass hessenweit rund 25 000 Erzieherstellen nicht besetzt werden können.
20 Millionen Euro
im Haushalt

Die Stadt Bad Vilbel sei sehr bemüht, was sich nicht nur in der tariflichen Höhergruppierung der Berufsgruppe zeige, die zum kommenden Jahr in Kraft tritt. Ricarda Müller-Grimm fügt an: »Die Personalaufwendungen für die Kitas stellen mit rund 20 Millionen Euro den größten Posten im Haushalt dar.« Stellenanzeigen, Social-Media-Kampagnen, ein sogenannter Bewerbertag. »Die Kollegen präsentieren sich und die Stadt auf Messen. Wir bieten Stipendien für Erzieher in Ausbildung. Wir geben unser Bestes.«
Fest stehe, dass man nicht einfach jeden als Erzieher einsetzen könne, sagt Fachdienstleiter Heinz. »Die Eltern vertrauen uns ihr Höchstes an. An diesem Maßstab sollten wir uns messen lassen.« Die Stadt prüfe derzeit, neue Wege zu gehen. »Fachkräfte aus dem Ausland«, sagt Ricarda-Müller-Grimm. Dabei habe man in den vergangenen Jahren immer Bedenken, ob der sprachlichen Barrieren gehabt. Mittlerweile gebe es auch Anbieter, die genau auf dieses Thema spezialisiert sein. »Allerdings wäre das auch teuer.«
Brief an die Eltern
Fakt ist: Die kommenden Wochen werden vermutlich nicht besser werden. Das wissen auch Heinz, Hartmann und Müller-Grimm. Deshalb haben sie Ende der vergangenen Woche einen Elternbrief ausgeteilt, der genau auf diese Probleme hinweist. Jörg Heinz sagt: »Wir versuchen alles, um die Lage zu stabilisieren und die Betreuungszeiten normal zu halten.«
Von Patrick Eickhoff