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Kurzes Aufatmen

Verwaltungsgericht Gießen stoppt Straßenbeiträge – vorerst

Erstmal gute Nachricht für die Anwohner der Lohgasse in Klein-Karben: Sie müssen nach aktuellem Stand nicht für die anstehende Sanierung der Straße vor ihren Grundstücken bezahlen, die Stadt hat vor Gericht gesiegt. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen. Foto: den
Erstmal gute Nachricht für die Anwohner der Lohgasse in Klein-Karben: Sie müssen nach aktuellem Stand nicht für die anstehende Sanierung der Straße vor ihren Grundstücken bezahlen, die Stadt hat vor Gericht gesiegt. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen. Foto: den

Es gibt Hoffnung für die Karbener: Sie müssen keine Beiträge zahlen, wenn die Straße vor ihrem Grundstück saniert wird. So urteilt das Gießener Verwaltungsgericht. Die Wetterauer Kommunalaufsicht hatte die Stadt gezwungen, die Straßenbei- träge zu kassieren – was das Gericht nun stoppt. Schlechte Nachricht: Das letzte Wort ist das noch nicht.

Karben. Aufatmen dürfen die Menschen in Karben zumindest ein ganz klein wenig. Zum Beispiel jene in der Lohgasse in Klein-Karben. Die Baupläne für die Sanierung der Straße sind seit ein, zwei Jahren fertig. Doch die Stadt hat die Sanierung auf Eis gelegt. Denn sobald die Bagger rollen, müssten die Anwohner dies bezahlen.

Das will die Stadt nicht – vor allem aus Gründen der Gerechtigkeit. Denn in der Vergangenheit waren solche Straßensanierungen stets aus dem Stadtsäckel bezahlt worden. Obwohl die Stadt jahrelang eine Satzung hatte, die das Erheben von Straßenbeiträgen zuließ. Sie wurde aber nicht angewendet. Daraufhin hob die Koalition aus CDU, Freien Wählern und FDP die Satzung auf.

Nicht viel später aber beschloss das Stadtparlament die Satzung erneut – als Teil der Sparbeschlüsse, damit die Stadt per Finanz-Schutzschirm des Landes von langfristigen Krediten befreit wurde. Als klar war, dass die Stadt wieder im Plus wirtschaftet, schafften die Stadtverordneten die Pro-Forma-Satzung erneut ab. In diesem Moment aber griff die Wetterauer Kommunalaufsicht ein und setzte die Satzung zwangsweise wieder in Kraft. Dagegen wehrt sich die Stadt: Im Oktober verhandelte das Gießener Verwaltungsgericht den Fall. Nun das Urteil: „Die Klage der Stadt war erfolgreich“, erklärt Reinhard Ruthsatz, Sprecher des Verwaltungsgerichts.

Das Urteil hat jedoch einen enormen Schönheitsfehler: Denn der Gießener Richter hat gar nicht in der Sache entschieden, also ob die Straßenbeiträge rechtens sind oder nicht. Er stoppt „nur“ die Kommunalaufsicht: Sie sei gar nicht zuständig gewesen für die finanzielle Aufsicht über Karben und hätte daher die Straßenbeiträge nicht zwangsweise wieder einführen dürfen.

Dahinter steckt eine juristische Feinheit: So lange die Stadt unter dem Schutzschirm steckt, hatte das Land per Gesetz die Finanzaufsicht auf die nächst höhere Ebene gezogen, konkret: das Darmstädter Regierungspräsidium. Und nur dieses hätte laut Urteil der Richter eingreifen dürfen. Allerdings hatte das Regierungspräsidium seinerzeit den Karbener Haushalt gebilligt gehabt – und zwar auch ohne Straßenbeiträge und die Satzung.

Berufung angekündigt

Im Rathaus reagiert Bürgermeister Guido Rahn (CDU) zurückhaltend: „Das ist ein kleiner Sieg, aber der hat noch nichts zu bedeuten.“ Denn Landrat Joachim Arnold (SPD) kündigt an, in Berufung zu gehen: „Die Ansicht des Gerichts, dass die Kommunalaufsicht des Wetteraukreises nicht zuständig sein soll, wird weder von uns, noch von der Landesaufsicht im Hessischen Innenministerium und im Regierungspräsidium Darmstadt geteilt.“ Der Landrat sieht sich sogar „in der Sache vollinhaltlich bestätigt“ an. Er macht es an einer knappen Formulierung des Gerichts fest, wonach das Vorgehen der Kommunalaufsicht „materiell rechtmäßig“ gewesen sei.

Zuständig ist nun eben das Regierungspräsidium – und mit dem will Bürgermeister Rahn in den nächsten Tagen sprechen. Im Januar wird die Landesbehörde den 2017er-Haushalt der Stadt genehmigen müssen. (den)

Urteil von 2011


Straßenbeiträge muss eine Gemeinde erheben, wenn sie ihren Haushalt dauerhaft nicht ausgleichen kann. Die gesetzliche Regelung hatte Hessens Verwaltungsgerichtshof 2011 bestätigt. Das Urteil führt die Wetterauer Kommunalaufsicht für Karben an. Seit 2015 wirtschaftet die Stadt allerdings im Plus. (den)