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Mehr als ein Halbtagsjob im Ehrenamt

Heike Liebel hat gerade alle Hände voll zu tun mit der Koordination der Flüchtlingsarbeit. Aber auch die Schulsozialarbeit und das Jugendkulturzentrum gehören zu ihren Aufgaben. Foto: Holger Pegelow
Heike Liebel hat gerade alle Hände voll zu tun mit der Koordination der Flüchtlingsarbeit. Aber auch die Schulsozialarbeit und das Jugendkulturzentrum gehören zu ihren Aufgaben. Foto: Holger Pegelow

Karben. Sie vertritt den Bürgermeister, ist aber nicht hauptamtlich tätig, sondern ehrenamtlich. Doch Karbens Erste Stadträtin Heike Liebel hat viel zu tun. Eine ruhige Zeit hatte sie seit ihrem Amtsantritt im April nicht gerade. Und das hat einen ganz besonderen Grund.
Nein, vorgedrängelt habe sie sich nicht, sagt Heike Liebel, als es Anfang des Jahres um die Frage ging, wer denn den beiden bisherigen Ersten Stadträten Otmar Stein und Friedrich Schwaab nachfolgen sollte. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) habe sie gefragt. Sie habe sich geehrt gefühlt, sei sich aber bewusst gewesen, dass ihre beiden Vorgänger große Fußstapfen hinterlassen hätten. »Ich habe mich schon gefragt, ob ich so würde helfen können wie meine Vorgänger.« Schließlich sagte sie aber zu.
Heike Liebel ist nun seit April Erste Stadträtin der Stadt Karben und damit Stellvertreterin des einzigen hauptamtlichen Magistratsmitglieds, Guido Rahn. Bedeutet: Die Christdemokratin ist im Ehrenamt tätig, hat aber genauso viel Verantwortung wie Erste Stadträte in größeren Kommunen.
Vollmacht für
Unterschriften

Das könnte manchen belasten, nicht aber die 58-Jährige aus Rendel. »Man wächst mit seinen Aufgaben«, sagt sie später im Gespräch mit dieser Zeitung auch auf die Frage, was denn passiere, wenn Bürgermeister Rahn einmal krank werde oder Urlaub machen wolle.
Eine kleine Probe aufs Exempel hat es in diesem Sommer schon einmal gegeben. »Guido Rahn hat tatsächlich mal ein paar Tage Urlaub gehabt«, berichtet Liebel. Aber da alles bestens vorbereitet gewesen sei und auch keine Magistratssitzung stattgefunden habe, sei das »keine große Sache« gewesen.
In ihrem neuen Amt darf Heike Liebel so manches, was andere Magistratsmitglieder nicht dürfen: beispielsweise an der Bürgermeister-Dienstversammlung in Friedberg teilnehmen oder Verträge und Vereinbarungen unterzeichnen. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit habe sie die Unterschriftenvollmacht erhalten. Das sei alles von der Verwaltung mit der Kommunalaufsicht geregelt gewesen.
Danach begann etwas, was sie sich nicht hätte träumen lassen: Dass sie so viele Stunden ehrenamtlich mit ihrem Aufgabengebiet verbringen würde. Liebel ist zuständig für die Schulsozialarbeit, ebenso für das Jugendkulturzentrum – und für die Organisation der Flüchtlingsunterbringung. Ein Aufgabengebiet, das mittlerweile die meiste Zeit beanspruche.
»Es muss ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als ich mein neues Amt antreten sollte«, erinnert sie sich. Da habe Guido Rahn gefragt, ob denn jemand bereit sei, ihm für rund zehn Stunden pro Woche in Sachen Flüchtlinge zu helfen. »Ich habe nicht gleich hier gerufen und erst mal eine Nacht drüber geschlafen«, erinnert sich Liebel. Letztlich sei sie zu dem Entschluss gekommen: »Zehn Stunden kann ich machen.« Doch daraus sind schnell mehr geworden. Der Krieg in der Ukraine trieb immer mehr Menschen auch nach Karben. »Ich war von 7 bis um 20 Uhr mit dem Thema beschäftigt.« Konkret habe sie etwa die Namen und Adressen der Menschen festgehalten, die den Kriegsflüchtlingen eine Bleibe geben wollten oder sogar schon Flüchtlinge aufgenommen hatten. Dann sei von ihr und dem Team aus dem Fachbereich 7 alles Mögliche organisiert worden. Seien zu Anfang ihrer Dienstzeit weit überwiegend ukrainische Flüchtlinge hierher gekommen, seien es jetzt nur noch rund 20 Prozent aus der Ukraine, aber zu 80 Prozent Weltflüchtlinge. Aktuell gehe es darum, die Ukrainer aus den Sammelunterkünften in Privatwohnungen unterzubringen, damit in den Sammelunterkünften die Weltflüchtlinge unterkommen könnten.
Viele Telefonate
und Teamarbeit

»Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass wir Sporthallen schließen müssen und damit dann der Sportunterricht ausfallen würde«, sagt Liebel, die ansonsten den sozialen Frieden in Gefahr sieht. Denn schließlich habe man gerade eine zweijährige Pandemie hinter sich, während der die Kinder zeitweise keinen Sportunterricht gehabt hätten.
Die Erste Stadträtin war nach eigenen Angaben auch damit beschäftigt, den Kontakt mit dem DRK-Kleiderladen in der Stadt herzustellen. Die Stadt bezahle den ukrainischen Flüchtlingen, dass sie sich dort ein bis zweimal mit Kleidung eindecken konnten. »Denn viele kommen wirklich nur mit einem Koffer hier an.«
Sie hat auch viel telefoniert, als es um die Bildung einer Kita-Gruppe ging. Zwei ukrainische Kindergärtnerinnen, die unter den geflüchteten Neuankömmlingen in Karben waren, betreuen derzeit die Kinder in einer eigenen Gruppe. Man hoffe, dass die Kinder dann im nächsten Frühjahr in die Kitas eingruppiert werden könnten.
Wenngleich die Flüchtlingsarbeit bei der Ersten Stadträtin zurzeit eine größere Rolle spielt, habe sie auch die Jugendarbeit und die Schulsozialarbeit nicht vergessen. Es gebe aber eine gute Teamarbeit. Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus hervorragend. Sie fühle sich gut angenommen.
Dennoch sei es viel Arbeit. »Wenn es nicht so viel Spaß machen würde, würde ich es aber nicht machen«, sagt sie. Denn, so die 58-Jährige, deren Ehemann seit Kurzem im Ruhestand ist, »von Ruhestand bin ich weit entfernt«. Von Holger Pegelow