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Mit der Drohne Rehkitze suchen

Sie sorgen mit ihrer Drohne dafür, dass kein Reh im hohen Gras bei den Mäharbeiten zu Schaden kommt (von links): Christian Pollak, Tim Stöveken und Michael Soborka. Foto: Schenk
Sie sorgen mit ihrer Drohne dafür, dass kein Reh im hohen Gras bei den Mäharbeiten zu Schaden kommt (von links): Christian Pollak, Tim Stöveken und Michael Soborka. Foto: Schenk

Karben. Rehkitze verstecken sich im hohen Gras, um sich zu schützen und zu wärmen. Dieser Wohlfühlort kann für die Jungtiere zur Falle werden. Im Sommer werden die Felder von großen Maschinen gemäht. Damit dabei keine Tiere zu Schaden kommen, prüfen die Karbener Tierschützer mithilfe einer Drohne, ob sich Rehkitze auf den Flächen verstecken.
Das Fluggerät mit den vier nach oben gerichteten Rotoren macht plötzlich mächtig Wind. Dann hebt es mit einem Mal ab und startet durch – vom Bodenniveau auf fast 80 Meter Höhe in wenigen Sekunden. Ein Bilderbuchstart der kleinen Drohne, die in Karben seit einem Jahr für den Tierschutz im Einsatz ist. Ihre Mission: Versteckte Rehkitze vor dem Tod bewahren.
An diesem Samstagvormittag geht es aber noch ums Testen und Vorführen. Die Pfingstweid-Wiesen am Kloppenheimer Sportplatz sind erst in wenigen Wochen mähfertig. Noch befinden sich die darin lebenden Tiere in Sicherheit. Das gibt den Drohnenpiloten Zeit, ihre Flugfertigkeiten zu reaktivieren.
Michael Soborka vom Tierschutz Karben sowie den Jägern Tim Stöveken und Christian Pollak gelingt das nach der »Winterpause« auf Anhieb. »Das Steuern der Drohne ist an und für sich nicht schwierig«, erklärt Stöveken. »Man lernt es erstaunlich schnell.
Immerhin handelt es sich bei dem Fluggerät um ein High-Tech-Modell. Ende 2021 wurde es, unterstützt aus Fördermitteln des zuständigen Bundesministeriums, für 6000 Euro gekauft. Ihren Jungfernflug unternahm die »Mavic 2 Enterprise« im Mai des vergangenen Jahres. »Wir haben uns bewusst für dieses Modell entschieden, weil es speziell auf die Tierrettung ausgelegt ist«, erläutert Michael Soborka.
Bei der technischen Ausstattung kommen die drei Männer ins Schwärmen. Die hochauflösende Kamera könne zwischen Normal- und Wärmebild umgeschaltet werden, sagen sie. Aufnahmen aus annähernd 80 Metern Höhe seien kein Problem. Vor Bäumen, Masten und anderen Hindernissen in der Landschaft warnt eine Kollisionswarnanlage. Die Drohne ist programmierbar und verfügt über einen sogenannten Homecoming-Modus. Das heißt: Sie findet immer wieder alleine zu dem Punkt zurück, an dem sie gestartet ist. Der Akku erlaube ungefähr 20 bis 25 Minuten Flugzeit. Drei weitere Akkus zum Wechseln befinden sich bei der Ausrüstung.
Die Initiative zur Wildtierrettung wurde vom Tierschutz Karben im Jahr 2016 ins Leben gerufen. Sie basiert auf einer Kooperation mit den Landwirten und Jagdpächtern in Karben. Vom Konzept her sind die Rettungsaktionen, die in den Monaten Mai und Juni stattfinden, einfach und effizient aufgebaut: Bevor irgendwo in der Karbener Gemarkung ein Feld abgemäht wird, informiert der Landwirt den zuständigen Jagdpächter – in der Regel einen Tag vor der geplanten Mahd. Die Jagdpächter koordinieren den Einsatz, informieren die Drohnenpiloten und sorgen für eigene Helfer vor Ort.
50 Rehkitze gerettet
»Die Einsätze beginnen sehr früh, um vier oder halb fünf Uhr morgens. Dann ist der Boden noch nicht so aufgeheizt«, berichtet Christian Pollak. »Die Körpertemperatur des Kitzes muss auf jeden Fall wärmer sein als der Boden. Nur so kann die Infrarotkamera den genauen Ort abbilden.« Ist der erkannt, wird das »Fußvolk« per Funk vom Drohnenpiloten dorthin geleitet. Die gefundenen Tiere werden aus der Gefahrenzone getragen und am Rand gesichert.
Die Vorjahresbilanz kann sich sehen lassen: Zehn Rehkitze konnten gerettet werden. Über 40 weitere Jungtiere wurden vertrieben. Von Jürgen Schenk