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Mut und Solidarität beim Radsport

Die Schwestern Clara und Rosa Redlich, die beim RSV Klein-Karben trainieren, zeigen ihr Können auf dem Einrad. Foto: Jürgen Schenk
Die Schwestern Clara und Rosa Redlich, die beim RSV Klein-Karben trainieren, zeigen ihr Können auf dem Einrad. Foto: Jürgen Schenk

Karben. Eine nostalgische Note hat den Jubiläumsempfang des Radsportvereins Klein-Karben umgeben. Die zahlreich erschienenen Mitglieder, Funktionäre und Radsportfreunde hörten von einem Verein mit wechselvoller Geschichte. Die Ehrenmitglieder Rainer Gessner und Rainer Züsch führten mit Redebeiträgen durch den Abend. Boris Jüngling begrüßte als Vereinsvorsitzender die Gäste.
Einradfahrkünste
begeistern

Für Begeisterung sorgten zwischendurch Freestyle-Vorführungen auf dem Einrad, die vom RSV-Nachwuchs präsentiert wurden. Trotz der räumlichen Enge im Saal konnten die Jugendlichen einige Tricks aus ihrem Repertoire zeigen. Musikalisch unterhielten der Karbener Sing- und Musizierkreis sowie ein Querflötenquartett der Musikschule Bad Vilbel/Karben.
An jedem Platz lag ein Exemplar der frisch erschienenen Festschrift »100 Jahre Radsport in Karben 1922 bis 2022«. Wie bei den vorangegangenen Jubiläen hat Rainer Züsch das Heft zusammengestellt. In seiner Festrede ließ er viele Punkte aus der Chronik Revue passieren. So erzählte er beispielsweise aus der schwierigen Gründungszeit des Vereins, als Deutschland wegen des verlorenen Krieges mit hohen Reparationszahlungen büßen musste. »Es waren keine Wohlstandszeiten«, erinnerte Züsch. »Das Geld war knapp, und die beginnende Inflation war deutlich zu spüren. Wer eine Arbeit hatte, war froh darüber.«
Just in dieser Phase des Niedergangs nahmen fünf Freunde aus Klein-Karben mit ihren Fahrrädern an einem Mai-Umzug in Frankfurt teil. Anschließend trafen sich Wilhelm Stier, Ludwig Spöther, Severin Vollmer, Georg Schumacher und Wilhelm Krause in der Gaststätte von Heinrich Beck an der Homburger Straße. An jenem 1. Mai 1922 legten sie den Grundstein für den »Radfahrverein Solidarität Klein-Karben, wie er anfänglich hieß. Züsch hob den Mut der Männer hervor. Dafür müsse man sich nach 100 Jahren einfach nur bei ihnen bedanken.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde der Verein verboten. Die politische Meinungsmache in den Arbeitersportvereinen war dem neuen Regime ein Dorn im Auge. Trotzdem ging es noch vor dem Zweiten Weltkrieg weiter mit dem Radfahren im Ort. Auslöser war der von Philipp Jakob Beck gegründete Radsportverein 1936 Klein-Karben, der von den NS-Machthabern akzeptiert wurde.
»Nach dem Krieg haben die überlebenden Mitglieder den Verein neu aufgebaut«, führte Rainer Züsch weiter aus. »Unter anderem gab es eine Rollschuhabteilung, in der ich 1954 selbst angefangen habe. Bis 1986 wurden sechs Radrennen rund um Karben ausgetragen. An die Stelle des Radrennens trat dann die »Karbener Radtourenfahrt«, die in diesem Jahr zum 34. Mal stattgefunden hat.« Weitere Veranstaltungen seien eine Country-Tourenfahrt für Mountainbikes im Herbst sowie E-Bike-Touren für Seniorinnen und Senioren.
Mit negativen Entwicklungen wurde nicht hinter dem Berg gehalten. Beim Kunstradtraining musste der Verein, nach eigenen Angaben, »ganz von unten anfangen, da wegen Corona die Schulsporthallen zwei Jahre geschlossen waren und einige Kinder von den Eltern abgemeldet wurden«. Vereinsabgänge resultierten auch aus dem Wechsel der Jugendlichen in die gymnasiale Oberstufe oder in ein Ausbildungsverhältnis. Dann sei zur Ausübung des trainingsintensiven Kunstradsports oft keine Zeit mehr übrig.
Ehrungen standen auch auf dem Programm: Für 40-jährige Vereinszugehörigkeit erhielten Alexander Züsch und Torsten Gessner die silberne Ehrennadel, Klaus Reutzel wurde für 50 Jahre mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Zum Ehrenmitglied wurde Manfred Wiegand ernannt. Von Jürgen Schenk