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Schutzgebiet fürs Leben – Pfarrer Herbert Jung ist 60 und nimmt kein Blatt vor den Mund

Bad Vilbel. Würde der Titel „Der Polarisierer unter den Pfarrern“ vergeben – der katholische Geistliche Herbert Jung aus der Pfarrei St. Nikolaus könnte einen Anspruch darauf anmelden. Eigene Meinung, engagiert vorgetragen, und eigener Stil – dafür ist Jung in der Quellenstadt bekannt. Der Geistliche, der vor zehn Jahren sein Amt in der Gemeinde St. Nikolaus antrat, zu der die Filial-Gemeinden St. Marien in Dortelweil und Herz-Jesu in Massenheim gehören, feierte vergangene Woche seinen 60. Geburtstag.

Es gibt Gemeindemitglieder, die Jung ablehnen, andere schätzen an ihm Intellekt und Humor. Die größte Herausforderung sieht der Geistliche, der schon als Kind katholischer Priester werden wollte, in der „Entfremdung, fehlenden Verwurzelung, der Lernunfähigkeit und Sprachlosigkeit“ der „wandernden“ Menschen in der modernen Gesellschaft. „Die Leute sperren sich dagegen, miteinander zu reden“, bedauert Jung eine von ihm als diffus beschriebene Erwartungshaltung vieler an sein Amt und die Kirche. Mit Themen aus Seelsorge, Religion und des Glaubens werde er von Gemeindemitgliedern kaum konfrontiert.

„Mein Ziel ist es, in Bad Vilbel ein Schutzgebiet für das Leben zu errichten, einen Ort zu schaffen, in dem das Leben lebenswert ist. An dem Leute alles probieren können, für das es sich zu leben lohnt, mit allen Konsequenzen. Tolerant zu sein und andere Blickwinkel als die eigenen zuzulassen.“

Geboren und aufgewachsen ist Herbert Jung in Fischbach nahe Saarbrücken. Nach dem Abitur studierte er in Trier und München katholische Theologie. Er schrieb seine Diplom-Arbeit zum Thema „Bilder in der Kirche und ihre Wirkung auf Menschen“.

Jung wurde 1974 in Trier zum Priester geweiht. Danach war er in den Gemeinden Koblenz, Püttlingen (Saarland) und Mayen in der Eifel sowie auf Diözesanebene in der Jugendarbeit tätig. Seine erste Pfarrstelle war Urexweiler und Niederlinxweiler im nördlichen Saarland. Dort wurde Jung zum ersten Mal mit der Aufgabe konfrontiert, Pfarrer für drei Gemeinden zu sein. „Die Pfarrer meiner Generation sind Pioniere. Wir waren die ersten Geistlichen, die von der Zusammenlegung der Gemeinden mit all dem Ärger, dem Frust und den Schmerzen betroffen waren. Diesen Umbruch, diese mit der Zusammenlegung einhergehende Veränderung, habe ich immer mehr als eine Herausforderung statt Belastung empfunden. Die Schwierigkeit besteht in der Vermittlung des Sachverhaltes an die Gemeinde, da keine flächendeckende, sondern eine punktuelle Umsetzung erfolgt.“ Für die Pfarrer werde dieser Sachverhalt zusätzlich durch eine nicht eindeutige Haltung der Diözese erschwert, die zwischen Rück- und Fortschritten hin- und herschwanke. Oft habe die Leitung den Bezug zur Basis verloren, die Pfarrer stünden zwischen den Fronten, kritisiert Jung.

Und der Privatmann Jung? Seine Hobbys sind das Kochen, Lesen, Gedichte schreiben, Nähen, Malen und Zeichnen. Entspannung findet der Pfarrer auf Reisen, beim Skifahren oder Nichtstun. (fau)