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Selbsthilfetag

Bad Vilbel. Sie kochen vegetarisch, pflegen „Achtsamkeit, Gelassenheit, Zuversicht“, üben Folkloretanz, Englisch oder Gedächtnistraining. Sie veranstalten Mittagstreffs und internationale Frauenfrühstücke – und sie bringen Menschen mit Behinderung, Depression oder dem Guillain-Barré-Syndrom zusammen.

Die Mitglieder der Selbsthilfe-Kontaktstelle Bürgeraktive haben für fast jede Lebenslage ein Angebot bereit. 40 dieser Selbsthilfe- und Begegnungsgruppen gebe es in Bad Vilbel, sagt Eva Raboldt, die Koordinatorin der Bürgeraktive. Längst seien die Selbsthilfegruppen „zum unverzichtbaren Teil der medizinischen Versorgung geworden“. Doch Gesundheit habe auch viel mit der Psyche zu tun, deswegen appellierte sie: „Kommen Sie schon, wenn es Ihnen gut geht, um gemeinsam etwas zu machen. Und wenn Sie etwas haben, das sie mit anderen teilen möchten, kommen Sie zu mir, ich mache dann eine neue Gruppe auf“, versprach Raboldt. Sie erzählte von drei Damen über 50, die neu nach Bad Vilbel gezogen seien und über die Bürgeraktive neue Freundschaften gefunden haben. Raboldts Worte griff Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn (FDP) aus persönlicher Sicht auf. Sie sei als Mutter eines behinderten Sohnes seit über 20 Jahren mit der Selbsthilfe im klassischen Sinne vertraut. Und sie sagte, sie müsse gleich anschließend nach Rüdesheim fahren, wo sie ihren Sohn aus einer Einrichtung für einen Urlaub abholen wolle. Doch Selbsthilfe sei nicht gleichbedeutend mit „Probleme haben“. Im Gegenteil seien dort jene, „die Aktivitäten zeigen, von denen unsere Gemeinschaft lebt. Das sind die Samenkörner, die Sie in die Gemeinschaft hineintragen und dafür sage ich Ihnen im Namen des Magistrats ganz herzlichen Dank.“

Die Stadt unterstützt die Bürgeraktive

Die Stadt unterstützt die Bürgeraktive seit 23 Jahren, merkte Raboldt lobend an. Doch nicht nur besinnlich ging es zu, sondern mit einem straffen Veranstaltungsprogramm sehr anregend. Zum Auftakt schlüpfte Sati Özdemir, die Kurse und Frühstücks für Migrantenfrauen gibt, in die Rolle einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Einwanderin. Mit ihrer Begleiterin (Jana Niasman) fragte sie sich auf Türkisch durch, wem der Bahnhof, ein Auto, die Fabrik gehöre. Aus den ratlosen Antworten der Deutschen schließen die beiden, dieser Herr Nixverstan, der müsse wohl sehr reich sein.

Sprache, das weiß Özdemir, sei für das Miteinander in dieser Gesellschaft wichtig. 13 Frauen sind im Kurs „Integration von ausländischen Mitbürgerinnen“, lernen Deutsch und die deutsche Gesellschaft kennen. Aber auch die Frauen verstehen zu feiern – jeweils am letzten Montag im Monat wird ab 9.30 Uhr im Haus der Begegnung gespielt, getanzt und gesungen. Neben dem Theater-Sketch gab es noch selbstverfasste Gedichte, Augentraining, Stuhlgymnastik, eine Spielszene mit dem „deutsch-französischen Spielkreis von Kleinkindern, meditativen Tanz. Folkloretänze sowie Gedächtnisparcours und internationales Buffet sorgten dafür, dass dieser Nachmittag seinem Motto gerecht wurde – als „Fest der Sinne“. (dd)