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Sklaverei – 50 bis 70 Prozent arbeiten ohne Bezahlung

Bad Vilbel. Eine unbürokratische Frühförderung von Kindern, ein effektives integratives Schulsystem mit sozialpädagogischer Unterstützung, ein Schulabschluss für jedes Kind und eine Wiederaufnahme der Diskussion um eine Ausbildungsplatzabgabe sollen der „Generation Praktikum“ bessere Chancen auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze sichern. Dies ist das Ergebnis einer Veranstaltung der Bad Vilbeler Sozialdemokraten, zu der die Friedrichsdorfer SPD-Landtagsabgeordnete und Sozialexpertin Petra Fuhrmann ins Awo-Café eingeladen worden war.

Ohne Perspektive hangelten sich heute Schulabgänger von Praktikum zu Praktikum, sagte Fuhrmann und untermauerte diese Feststellung durch Zahlen einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 40 Prozent der Akademiker landen nach ihrem Abschluss in einem Praktikum. Von ihnen arbeiteten 50 bis 70 Prozent ohne Bezahlung, der Rest verdiene im Durchschnitt 600 Euro. Statistisch gesehen fänden sie nach langen dreieinhalb Jahren einen Job – oft nur halbtags und nicht gesichert. Noch schlimmer stelle sich die Lage für 25 Prozent der Hauptschüler dar, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Ein Drittel davon stamme aus Familien mit Migrantenhintergrund.

Ihr Weg in die Dauerarbeitslosigkeit sei geradezu vorgezeichnet. Fuhrmann schloss daraus, dass „die Schulen ihren Auftrag zu schlecht erfüllen“ und „mehr Unterstützung brauchen“. Etwa 12 000 Jugendliche in Hessen fielen als Altbewerber mittlerweile durch jedes Raster. Die SPD habe zu jedem Haushalt im Landtag ein Förderungsprogramm gerade für sie eingebracht – ohne Erfolg.

Ein Motivationsproblem an den Schulen gestand der Dortelweiler SPD-Vorsitzende Hajo Hisgen, Lehrer und Mitglied der Schulleitung an der John-F.-Kennedy-Schule, durchaus ein. Dennoch hätten in Bad Vilbel, dank günstiger Rahmenbedingungen, alle Schüler einen Abschluss in der Tasche. Durch den seit zwei Jahren üblichen Praktikumstag, an dem Schüler der achten und neunten Klassen jede Woche in Betriebe gehen, habe die Hälfte von ihnen beim Verlassen der Schule einen Ausbildungsplatz in der Tasche. Kritik übte Hisgen an der „Testeritis“. Statt sie zu testen sollte man die Schüler besser fördern.

Ebenso wie Joachim Schlichte-Bierbaum aus Rendel, der „nicht an Symptomen herumdoktern, sondern das komplette Schulsystem ändern“ will, trat Hisgen unter Beifall für „längeres gemeinsames Lernen“ ein.

Sage und schreibe „15 offene Scheunentore“ rannte die Leiterin des Vilbeler Kinderschutzbundes, Freya Plashues, bei Fuhrmann ein. Sie forderte unbürokratische finanzielle Absicherung niedrigschwelliger Angebote besonders für Kinder aus Migrantenfamilien.