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Spatenstiche, Stresstests und Sinneswandel

Bürgermeister Sebastian Wysocki im Gespräch mit Redakteur Patrick Eickhoff. Foto: PV
Bürgermeister Sebastian Wysocki im Gespräch mit Redakteur Patrick Eickhoff. Foto: PV

Bad Vilbel. Ein bewegtes Jahr liegt hinter der Stadt Bad Vilbel. An deren Spitze steht Bürgermeister Sebastian Wysocki (CDU). Im Interview erklärt er, wieso Segmüller nicht nach Bad Vilbel kommt, wie er zu den Verkehrsproblemen der Stadt steht und warum aus der Quellenstadt jetzt keine Rechenzentrums-Hochburg werden soll.
Herr Wysocki, wie blicken Sie auf das vergangene Jahr zurück?
Äußerst positiv. In unserer Stadt hat sich vieles bewegt. Da fällt mir als Highlight natürlich die Eröffnung der Vilco mit dem großen Festwochenende ein. Tausende Besucher, ein fantastisches Programm. Wir haben richtig Werbung für dieses wunderbare Gesamtensemble gemacht. In diesem Kontext möchte ich auch die Einweihung vom Günther-Biwer-Platz miteinschließen. Das war für mich ein Herzensmoment. Es war ein sehr würdevoller Rahmen – auch dank der Mitwirkung der Familie.
Die von Ihnen angesprochene Stadthalle, der Wasserspielplatz und die Kneippanlage im Kurpark, das Jugendhaus auf dem Heilsberg. Baulich hat sich viel getan. Sie müssen zufrieden sein, oder?
Die Resonanz ist gut. Das macht mich glücklich. Aber der Dank gehört immer den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die beispielsweise das Jugendhaus mit Leben füllen. Auch im Heimatmuseum Massenheim haben sich Menschen so toll eingebracht. Das ist was Besonderes. Das gilt auch für das Heilsberg-Jubiläum.
Wie meinen Sie das?
Wie viel ehrenamtliches Engagement zu »75 Jahre Heilsberg« aktiviert werden konnte und was für ein Programm über das ganze Jahr auf die Beine gestellt wurde. Davor kann ich nur meinen Hut ziehen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass längst nicht alle Projekte abgeschlossen sind. Die Sanierung der Frankfurter Straße zieht sich weiter. Wie läuft es?
Es ist ein Riesenprojekt und fordert wirklich viel Kraft und Ausdauer, nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern, den Anliegern und Geschäfteinhabern, die betroffen sind. Es ist eine Operation am offenen Herzen. Es läuft in guten Bahnen, wir haben eine tolle Kommunikation aufgebaut und sind sehr transparent.
Wer in der Frankfurter Straße nicht durchkommt, steht auf der Kasseler Straße. Dort ist die Bahnbaustelle. Wann ist Schluss mit den Verkehrsproblemen?
Die Baustelle begleitet uns seit vielen Jahren. Wenn ich das mal hochrechne, habe ich einen Mitarbeiter bei der Verwaltung, der nichts anderes macht, außer im Austausch mit der Bahn zu stehen. Wir haben jetzt noch mal eine lange Sperrpause. Das wird auch noch mal für die Pendlerinnen und Pendler eine große Herausforderung.
Verkehrsmäßig wird es dann aber nicht gerade besser werden, oder?
Kurzfristig nein, aber dafür wird das Ergebnis, was am Ende dasteht, uns unheimlich helfen. Das ist eine Jahrhundertinvestition in die Verkehrsinfrastruktur. Kein Projekt hat länger gedauert. Es schafft einen wunderbaren attraktiven öffentlichen Nahverkehr, wovon wir als Bad Vilbel unheimlich profitieren werden. Das muss man einfach ganz nüchtern sagen.
Wann haben Sie denn das letzte Mal im Stau gestanden?
In diesem Monat morgens bei der Europäischen Schule. Aber ansonsten stehe ich eher weniger im Stau, weil ich zu den Zeiten fahre, wenn dieser meist vorüber ist. Es ist derzeit schwierig. Die Frankfurter Straße ist eine Sackgasse. Die Kasseler Straße ist die einzige Nord-Süd-Verbindung und auf der habe ich die riesige Baustelle. Dass das zu Problemen führt, ist logisch. Das wird uns auch noch beschäftigen.
Inwiefern?
Auch wenn jetzt der Rückbau durch die Bahn erfolgt, ist die Baustelle nicht fertig. Die Kasseler Straße ist in weiten Teilen kaputtgefahren. Wir kommen nicht drum herum, diese zu sanieren. Aber wenn wir damit fertig sind, haben wir eine rundum erneuerte Infrastruktur, denn wir stärken mit dieser Maßnahme zugleich den Radverkehr, weil es zwischen Südbahnhofkreisel und Festspielkreisel Radfahrstreifen geben wird.
Genug von Projekten, die laufen. Lassen Sie uns zu Projekten kommen, die nicht realisiert werden. Segmüller ist raus, Bad Vilbel möchte ein zweites
Rechenzentrum ansiedeln. Wird Bad Vilbel jetzt zur Data-Hochburg?
Nein (lacht). Es gibt immer zwei limitierende Faktoren. Das ist die Verfügbarkeit von Strom sowie von Fläche. Wir sind nah am Internetknotenpunkt in Frankfurt und bieten ein spannendes Potenzial. Aber das ist nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag ausnutzbar. Aber klar ist, wir wären nicht auf die Firma Segmüller zugegangen, wenn wir diese Flächen nicht für dieses Ansiedlungsvorhaben benötigen würden.
Woher kam der Sinneswandel bei Segmüller?
Grundsätzlich vertrete ich die Haltung, dass man Verträge einzuhalten hat. Wir haben über viele Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet, auch in schwierigen Zeiten. Wir sind gewählt, um das Beste für die Stadt rauszuholen. Es hat sich für die Stadt Bad Vilbel eine Perspektive entwickelt, die weitaus vorteilhafter ist als die Ansiedlung von einem Möbelhaus. Deshalb sind wir in Verhandlungen mit Segmüller gegangen. Ich kann natürlich auch die Gegenseite verstehen, aber wenn wir die Option haben, mit einem entsprechenden Ansiedlungsprojekt so vorteilhaft eine Entwicklung voranzutreiben, dann wäre es für uns sträflich, wenn man das nicht verfolgen würde.
Sollte das mit dem Rechenzentrum klappen, erhält die Firma Segmüller aus dem Vergleich 16 Millionen Euro. Ist das nicht etwas zu viel?
Dass man jemandem seine Anzahlung zurückerstattet, ist selbstverständlich. Das gilt auch für die Aufwendungen, und dann geht es noch um den Wertzuwachs, den das Grundstück in den zurückliegenden Jahren erhalten hat. Daran möchte die Gegenseite partizipieren, weil sie nach Bad Vilbel gekommen ist, um ein wirtschaftliches Projekt zu realisieren.
Kommen wir zum nächsten Großprojekt: der Therme. Wann dürfen die Bad Vilbeler endlich in ihrem neuen Hallenbad schwimmen?
Die Thermengruppe, mit der wir einen sehr guten Austausch haben, hat kommuniziert, dass wir nächstes Jahr den Spatenstich erleben.
Bis dahin müssen doch erst mal die finalen Unterlagen eingereicht werden?
Die Gruppe hat mit dem Stand auf dem Weihnachtsmarkt, auf dem auch der CEO Edelfried Balle zugegen war, ihre Ernsthaftigkeit gezeigt. Ich glaube, wenn Anfang des Jahres die Unterlagen kämen, dass dann genug Zeit besteht, dass 2024 der Spatenstich stattfindet. Dann haben wir bestimmt 24 Monate Bauzeit, die man ehrlicherweise für ein solches Vorhaben rechnen muss. Sodass man dann 26/27 im Schwimmbad seine Bahnen ziehen könnte. Wichtig ist, dass uns in allen Gesprächen zugesichert worden ist, dass das kommunale Hallenbad mit den Bahnen für den Schulsport als erstes fertiggestellt wird.
Ist ein solches Projekt überhaupt noch zeitgemäß?
Vom Standard wird hier die modernste, effizienteste und nachhaltigste Therme Deutschlands geplant. Die Gruppe hat ein vitales Interesse daran, den Wasserverbrauch auf das Minimum zu reduzieren. Die Bürgerinnen und Bürger können sich auf eine Therme, ein Sportbad, eine Wellness-Oase, ein Rutschenparadies – also eine ideale Freizeiteinrichtung, um Urlaub vom Alltag zu machen – freuen. Erfreulich für die Stadt: Der Partner zahlt jährlich eine Pacht, und die Stadtwerke erhalten ein Nutzungsentgelt.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch mal vorausblicken. Was steht im kommenden Jahr an?
Die Spatenstiche für die Theaterwerkstätten, Skater-Anlage im Burgpark sowie Kita und Bürgerhaus auf dem Heilsberg. Die denkmalgerechte Sanierung des Kurparks beginnt, die Baustelle auf der Frankfurter Straße wird abgeschlossen. Außerdem werden spanische Erzieherinnen und Erzieher in Bad Vilbel anfangen. Ab Februar startet die neue Klimaschutzmanagerin ihren Dienst. Ich freue mich aber auch besonders auf 1250 Jahre Bad Vilbel und auf viele spannende Veranstaltungen in der Vilco.
Apropos Vilco. Wann wird denn das benachbarte Kurhaus eröffnet?
Der Plan ist, bei einer Veranstaltung zum Einjährigen auch das Kurhaus zu eröffnen. Das wird wieder ein Highlight.

Von Patrick Eickhoff