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Stadt im Aufwind – Claus-Günther Kunzmann ist seit 25 Jahren „Stadtgestalter“ • Potenzial und Urbanität

Claus-Günther Kunzmann geht es gut. Er hat Erfolg und Freude an seiner Arbeit als Kulturamtsleiter und Intendant der Burgfestspiele und er ist keineswegs arztreif, obwohl der Mann Visionen hat. „Wer Visionen hat, sollte lieber gleich zum Arzt gehen“, dieser knackige Spruch, den Helmut Schmidt 1980 mit Blick auf Willy Brandt vom Stapel ließ, erschreckt Kunzmann nicht. Visionen sind weder Pestbeulen noch Krebsgeschwülste und schon gar nichts für das Skalpell des Chirurgen. Für eine moderne Gesellschaft sind Visionen und Kultur Entwicklungsfaktoren, harte Währungen, und so ist Kunzmann im weitläufigeren Sinne auch „Währungshüter“. Am 1. März hatte er Grund zu feiern. Auf den Tag genau 25 Jahre waren es, dass er im Fachbereich Kultur der Stadt Bad Vilbel involviert ist, seit vielen Jahren an leitender Stelle.

Bad Vilbel. Wer kennt ihn nicht, den Mann mit dem grauen Rauschebart, den lebhaften Augen und dem freundlichen Lächeln? Er ist seit rund zwei Jahrzehnten das Herz und die Seele der Kulturarbeit und der Burgfestspiele, die er von seinem Büro in der Remise der Alten Mühle aus steuert und zum „regionalen Leuchtturm“ ausgebaut hat. Er hält die Fäden in der Hand und Dezernent Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr kann sich auf ihn blind verlassen. Kunzmann leistet, neudeutsch gesagt, einen tollen Job.

Vielleicht liegt es an seinem tiefgehenden Interesse, dass Kunzmann, der auch Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Heimatpflege ist, zuerst mal auf die Fundamente verweist, bevor er sein Spielfeld beleuchtet. Und da gab es in dieser Stadt, in der häufig auch Verhinderer „immer aus derselben Ecke“ ihr Unwesen treiben, schon andere Visionäre von Belang. Günther Biwer zum Beispiel, „er ist die Ausgangsfigur“. Als Bürgermeister mit Weitblick stellte er unbeirrt die Weichen, avancierte so zum Vater der Burgfestspiele. Statt einen Bus zu kapern und die Theaterfreunde nach Frankfurt zu „chauffieren“, holte er das Theater in die „Schlafstadt“ und hauchte ihr Leben ein. Aber noch einen Zweiten brauchte es zu dieser abendfüllenden Inszenierung: Klaus Minkel, langjähriger Kämmerer und Erster Stadtrat. Er schuf durch kluges Wirtschaften nicht nur die finanzielle Basis für „Biwers Eskapaden“, wie das ein Oppositioneller mal titulierte, sondern durch die Unternehmensansiedlungen und den Wohnungsbau in Dortelweil-West (im Volksmund „Minkel-Town“), das er förmlich aus dem Boden stampfte, brachte er die Erneuerung in der Bevölkerungsstruktur des einstigen Arbeiterstädtchens in Gang, eine grundlegende Voraussetzung für Veränderungen. Biwer und Minkel erkannten früh, so Kunzmann, dass Kultur auch ein wesentlicher Standortfaktor in dem Bemühen ist, „diese Stadt voranzubringen und sie in der Rhein-Main-Region zu etablieren, die bundesweit ein Taktgeber ist“. Das brachte in Bad Vilbel „die Verstädterung der Provinz“, festigte den Charakter von Urbanität.

Das Glanzlicht der örtlichen Kulturarbeit sind die Burgfestspiele. Über 70.000 Kulturfreunde aus Bad Vilbel und der Region pilgern heute pro Saison in die Wasserburg. Für Kenner rangieren die Burgfestspiele in der Intendanz Claus-Günther Kunzmanns und mit inzwischen schon sieben Eigeninszenierungen unter den besten Freilichtbühnen der Republik.

Was unter Intendant Bodo Preck mit der Komödie „Scampolo“, mit 20 Aufführungen und 5000 Zuschauern in der Burg begann, hat sich zum „Leuchtturm“ gemausert. „Jeder der Intendanten – auf Preck folgten Klaus Havenstein und Jörg Reichlin – war zu seiner Zeit der richtige Mann am richtigen Platz“, betont Kunzmann im dankbaren Rückblick auf seine Vorgänger. Seit Ende der 80er Jahre hatte allerdings Kunzmann sukzessive die Verantwortung übernommen und die Hand auf der Auswahl der Stücke und der Gastspiele.

Obwohl gebürtiger Vilbeler will Kunzmann kein „Vilbeler Bub“ sein. Diese Bezeichnung lehnt er ab. Sie nervt ihn, weil sich das so anhöre, „als hätte man als Vilbeler mehr Rechte als ein Neubürger, und das möchte ich nicht“, stellt er klar. Aber auf Bad Vilbel und seine fulminante Entwicklung im letzten Vierteljahrhundert ist er stolz. „Wo hat man bei einer 32000-Einwohner-Stadt auf lediglich 500 Meter Distanz eine solche kulturelle Infrastruktur, eine Ansammlung von Kulturstätten wie hier, bei uns: Burgfestspiele, Alte Mühle und Musikschule, Brunnen- und Bädermuseum, Römer-Mosaik, Kunstschule und bald auch noch Mediathek“. Käme noch der Hessentag 2015, den Kunzmann „gerne in Bad Vilbel“ sähe, würde noch das zur Stadthalle umgebaute Kurhaus dazukommen, „und alles in der Stadtmitte“. Nicht zuletzt gäbe es in Bad Vilbel noch weiteres kulturelles Entwicklungspotenzial. Wenn erst einmal die Sanierungsarbeiten in der Burg abgeschlossen sind, könne man darüber nachdenken, neben Festspielen, Halloween-Party, Weinfest und Weihnachtsmarkt noch neue Aktivitäten in der Burg zu etablieren, wie zum Beispiel Ausstellungen. Lediglich eine Kunstgalerie fehlt, die bei der Vielzahl der örtlichen Künstler wünschenswert wäre.

„Dass ich teilhaben konnte an der rasanten Entwicklung Bad Vilbels in den letzten 25 Jahren bereitet mir schon Freude. Doch wir sind nicht am Ende angelangt“, die Stadt müsse sich noch weiter entwickeln, ihr Potenzial ausschöpfen, sagt Kunzmann. Zum Beispiel im Bereich des Nordbahnhofs. „Ein Kino mit drei, vier Sälen wäre hier klasse“ und könnte der Stadt neue Glanzlichter verpassen und neue Perspektiven öffnen, schwärmt er. Auch verfüge die hiesige „Stadt-Verwaltung“ noch über ungehobene Kapazitäten und könnte sich weiter zu einer „Stadt-Gestaltung“ hin mausern. „Solche Perspektiven, solche Dynamik finde ich toll! Die Kultur hat dazu wichtige Akzente gesetzt“, sagt Kunzmann. Und seine Augen leuchten, der Blick huscht zum Fenster hinaus, schweift in die Zukunft. Manche Visionäre haben Gemeinschaften verändert, andere sind gescheitert, viele vergessen. Claus-Günther Kunzmann zählt hier schon jetzt zu den Veränderern.

Biographie: Claus-Günther Kunzmann wurde 1957 in Bad Vilbel geboren, studierte . Mitte der 70er Jahre, als er sich entschied zu studieren, waren Fächer wie Politik und Geschichte „nicht angesagt, das waren Taxifahrerausbildungen“. Daher habe er sich für das „handgreiflichere Wirtschaftsingenieurswesen“ entschieden, Schwerpunkt Maschinenbau. Vernunftsgründe prägten sein Studium, „es war kein Wunschstudium“, sagte er.Kunzmann ist seit 1997 mit Elisabeth Kunzmann verheiratet. (sam)