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Taugt der Stollen? In Dortelweil stellen Bäcker ihre Christstollen einem kritischen Tester vor

In der Bäckerei wurden nebenbei auch einige Geheimnisse des weihnachtlichen Backwerks gelüftet.

Bad Vilbel. Aufmerksam blickt Karl-Ernst Schmalz auf die Köstlichkeiten, die ihm im Café des Dortelweiler Konditors vorgelegt werden. Weil Stollen backen großen Vorlaufs bedarf, haben die Prüflinge ihre Backwaren fertig mitgebracht. Bevor Schmalz von den Stollenscheiben kleine Ecken abbricht, begutachtet er das ganze Produkt.

Schon auf den ersten Blick hat er erste Einschätzungen. Ein Stollen erweist sich als sehr lecker, hat er statt der geforderten 60 Prozent Früchteanteil weit über 100 – was rein rechnerisch zwar nicht geht, aber dennoch Sinn macht: „Im Bäckerhandwerk wird alles aufs Mehl bezogen“, erläutert Schmalz. Trotzdem hat das leckere Stück einen Makel: Der Boden ist einen Tick zu dunkel ausgefallen. Das gibt Punkteabzug, aber was viel wichtiger ist, auch eine Empfehlung. Der Bäcker soll seinen Ofen etwas herunterregeln, empfiehlt der Bäckermeister. Nicht unbedingt eine kurze Backzeit sei ratsam, sondern eine kontinuierliche Grundtemperatur von 92 bis 93 Grad Celsius.

Freiwillige Kontrolle

Solche Tipps zu erhalten, eine Einschätzung, wie die eigene Bäckerei im Vergleich mit anderen dasteht – das ist das eigentliche Ziel dieser „freiwilligen Selbstkontrolle“, wie Uwe Rumpf sie nennt, der Gastgeber und Obermeister der Bäcker-Innung im Kreis. 25 Innungsbetriebe haben die Bäcker im Wetteraukreis,. Sechs haben sich angemeldet, darunter auch die Anstaltsbäckerei der Justizvollzugsanstalt Rockenberg und die Friedberger Philipp-Reis-Berufsschule.

Betreut wird die Prüf-Aktion vom Weinheimer Institut für die Qualitätssicherung von Backwaren (IQBack). Auf dessen Internet-Seite www.brot-test.de sind auch die Dortelweiler Stollenergebnisse abrufbar. Auch das IQ-Back ist Teil einer Qualitätsoffensive, durch die sich das Backhandwerk gegen die zunehmende Konkurrenz durch aufbackende Discounter absetzen will.

„Den Qualitätsbäckern geht es gut“, sagt die Butzbacher Bäckerin Petra Zörb. „Daran müssen wir täglich arbeiten“, betont sie. Und sie setzt auf Traditionelles wie ein Butterkuchenrezept aus dem 18. Jahrhundert, das „vom Urgroßvater meines Mannes“ stamme. Ob sie auch Wellness-Backwaren habe? Zörb schüttelt den Kopf. Ihre Region sei sehr ländlich, da bevorzuge man klassisches Sauerteigbrot, „aber vielleicht in Bad Vilbel, das ist städtischer“. Doch auch Bäcker Rumpf setzt auf Vertrautes, etwa mit seinem „Vilbeler Burgenbrot“, Sauerteig mit Haferflocken, Sonnenblumen- und Kürbiskernen. Oder ebenfalls klassische Brötchen, deren Teig sein Bäckergeselle Miridon Bitiq in der Backstube gerade mit Mohn und Sesam bestreut.

Rotwein und Riesling

Doch gerade bei den Stollen geht es darum, wertvollere Zutaten, eine pfiffigere Zubereitung anzubieten, weiß auch Rumpf. In seinem Regal gibt es nicht nur den üblichen Butterstollen, sondern auch Stollen mit Nougat, Dinkel, Vollkorn, Quark. Oder mit großbeerigen Rosinen aus Australien. Und wer Rosinen nicht mag, für den gibt es als Füllung Cranberrys oder Pflaumen. Auch Rotwein und Riesling wird in Stollen verwendet. Alles Zutaten, die nicht mit dem Schnäppchenpreis von zwei, drei Euro umsetzbar sind.

Dass sie so üppig ausfallen, ist für die Christstollen typisch, waren sie doch früher auch eine Energiequelle in der dunklen Jahreszeit. Doch nicht nur deswegen findet Schmalz eine veritable Schicht aus Fett und Zucker wünschenswert. Die wirkt nämlich wie eine Isolierschicht, welche das Backwerk lange frisch hält – von Dezember bis in den März hinein – vorausgesetzt, es wird kühl und dunkel gelagert. Auch die geprüften Stollen haben schon etwas geruht, sind acht bis zehn Tage alt. Angesichts der Stollen-Vielfalt fällt Prüfer Schmalz die Aufgabe schwer. Vieles gilt es zu bewerten, darunter Form, Aussehen, Krustigkeit, Schnittfestigkeit, Saftigkeit, Geruch und Geschmack. Neben den Backwaren hat er ein Glas mit heißem Tee stehen. Der neutralisiert den Geschmackseindruck für das nächste Prüfungsstück. Die in Dortelweil präsentierten Stollen, verrät er, haben „ein überraschend hohes Niveau“. Kleinigkeiten, wie eine zu dunkle Kruste oder zu hoher Fettanteil, lassen sich leicht korrigieren.