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Um die Trambahn wird weiterhin erbittert gestritten

Eine heftigt diskutierte Verlängerung der Straßenbahnlinie von der Friedberger Warte in Frankfurt nach Bad Vilbel hat erneut die Gemüter im Stadtparlament der Quellenstadt erhitzt. Foto: Holger Pegelow
Eine heftigt diskutierte Verlängerung der Straßenbahnlinie von der Friedberger Warte in Frankfurt nach Bad Vilbel hat erneut die Gemüter im Stadtparlament der Quellenstadt erhitzt. Foto: Holger Pegelow

Nur die Fraktion der Grünen und Michael Wolf halten eine Machbarkeitsstudie für sinnvoll

Bad Vilbel. Zwei Anträge, über eine Stunde Diskussion: Das Thema Straßenbahn hat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause Bad Vilbels Parlamentarier beschäftigt. Die Debatte entwickelte sich zu einer echten Grundsatzfrage. Dabei bestimmten zwischenzeitliche Zwischenrufe die Diskussion. Die Abstimmung fiel schließlich eindeutig aus.
Die Standpunkte waren schon vor der Diskussion der Tagesordnungspunkte in der Stadtverordnetenversammlung klar. Die Koalition aus SPD und CDU will keine Straßenbahn von Frankfurt nach Bad Vilbel, sondern außer der S-Bahn verstärkt auf einen besser getakteten 30er-Bus setzen. Dieser Argumentation folgen auch FDP und AfD. Die Grünen und der fraktionslose Michael Wolf sehen das anders. Beide wollen nach der Potenzialanalyse eine Machbarkeitsstudie zur Thematik beauftragt wissen.

»Wie in kleinem Dorf«
Die Rollen waren also bei der Sitzung im Dortelweiler Kultur- und Sportforum klar verteilt. Dennoch: Als die Tagesordnungspunkte »Verbesserung ÖPNV« der Koalition und »Zukunftsfähige Mobilität für Bad Vilbel« der Grünen an der Reihe waren, ging es heiß her.

Priska Weller (Grüne) holte zum ersten Rundumschlag aus. »Die Frage ist, wie wir uns Mobilität in Bad Vilbel vorstellen. Wollen wir immer noch im Stau stehen?« Wie viele Bäume und Stellplätze wegfallen, sei gar nicht geklärt und solle nicht durch Mutmaßungen von CDU und SPD vorweggenommen werden. Sie fragte die Christdemokraten: »Keine Machbarkeitsstudie, weil Kreisel durchschnitten werden. Sind die Ihnen wichtiger als die Verkehrswende? Ja, es wird mehr Ampeln geben, um dem ÖPNV Vorrang vor dem Individualverkehr zu geben. Aber was ist daran schlecht? Heute steht der ampelfreie Verkehr im Stau.«

Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung im Saal schon aufgebracht. Durch alle Fraktionen hinweg gab es laute Zwischenrufe sowie Gelächter. Noch lauter wurde es, als Weller der CDU eine »bestürzende Tonlage« im Haupt- und Finanzausschuss vorwarf. Man habe den Experten den Sachverstand abgesprochen. »Die Potenzialanalyse entspricht nicht ihren Vorstellungen von einem kleinen Dorf.« Das rief die Koalition auf den Plan.

CDU-Fraktionsvorsitzende Irene Utter sagte: »Im Ausschuss hat ihr Parteikollege Tobias Grabo wortwörtlich von ›in die Fresse hauen‹ gesprochen (Anm. d. Red: Grabo wurde für die Aussage gerügt). Bevor Sie uns was zur Tonlage sagen, müssen Sie in Ihren eigenen Reihen schauen.« Anschließend räumte Utter mit einem Vorurteil auf. »Wir haben diese Entscheidung nicht wegen einiger Anrufe von Bürgern getroffen, sondern weil wir uns intensiv damit beschäftigt haben.« Die Gründe seien vielfältig. Es sei zu eng für ein eigenes Gleisbett entlang Frankfurter und Kasseler Straße. Wegfallende Bäume und Parkplätze, steigende Kosten. Schließlich bezuschusse die Stadt den 30er-Bus mit 53 000 Euro im Jahr. Die Tram würde dagegen 560 000 Euro an Betriebskosten pro Jahr produzieren. »Und was noch niemand bedacht hat, sind Kosten für das Verlegen von Wasser- und Gasleitungen und anderen Kabeln. Da würde ein zweistelliger Millionenbetrag auf die Stadt zukommen.« Die Kosten würden steigen, der Nutzen nicht.

»Nebelkerzenantrag«
Deshalb solle mit einem Antrag auf den Busverkehr gesetzt werden. Schneller und in kürzeren Takten sollen die Busse zwischen Vilbel und Frankfurt verkehren. Benötigt würden zusätzliche Busspuren im Stadtgebiet und auf der B 521.

Für Jens Matthias (Grüne) war das ein »Nebelkerzenantrag«, später in seiner Rede gar ein »Kraut- und Rübenantrag«. Schließlich habe der Magistrat auf RMV und traffiq doch gar keinen Einfluss. Auch die B 521 liege nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt. »Wie naiv kann man sein? Die Frankfurter werden ihre Straßenbahn bis zur BGU weiterbauen.« Ideen, den Vilbus auf Elektrobus umzustellen, sei in der Vergangenheit immer abgelehnt worden. »Aber jetzt soll es traffiq tun. Es wäre besser, vor der eigenen Haustür zu kehren.«
Der fraktionslose Michael Wolf sagte, Bürgern dürfe nicht das Gefühl gegeben werden, es sei egal, was sie wollen.

Klaus Arabin (SPD) zeigte sich überrascht von der »religiösen Überhöhung« der Straßenbahn. »Wer es nicht schafft, ohne Straßenbahn nach Frankfurt zu kommen, der bleibt auch auf einer Rolltreppe stehen, wenn der Strom ausfällt.«

Bürgermeister Sebastian Wysocki (CDU) sah sich anschließend veranlasst, Bad Vilbels Engagement in Sachen Verkehrswende aufzuzählen. »Wir bauen die Radwege ins Umland und nach Frankfurt konsequent aus.« Außerdem werde auch die Niddertalbahn elektrifiziert und ausgebaut. »Kaum eine andere Stadt ist derzeit von Baustellen so betroffen wie Bad Vilbel. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels.« Der Antrag der Koalition sei richtig. »Es geht darum, dass wir Gesprächsangebote machen.« SPD-Fraktionsvorsitzende Mirjam Fuhrmann äußerte ihr Unverständnis über die Argumentation der Grünen: »Mir kommt es vor, als würden wir hier Kutsche fahren.«

Der Antrag der Koalition zur ÖPNV-Stärkung wurde gegen die Stimmen der Grünen von CDU, SPD, FDP, AfD und Michael Wolf angenommen. Eine Machbarkeitsstudie zur Straßenbahn soll es nicht geben. Der Antrag der Grünen wurde bei Zustimmung von ihnen und Michael Wolf von CDU, SPD, FDP und AfD abgelehnt.
            Von Patrick Eickhoff