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„Uns werden Lehrer fehlen!“ – Suttner-Schulleiterin Bianca Gardé berichtet von drohenden Problemen

Nidderau. Düstere Zeiten sehen Schulleiterin Bianca Gardé und ihr Stellvertreter Hilmar Riffel auf die Bertha-von-Suttner-Schule zukommen. Sie prognostizieren einen Lehrermangel – und das spätestens in zwei bis drei Jahren, wenn die Pensionierungswelle so richtig ins Rollen komme.

Ausgelöst wurde ihre Sorge durch einen Urteilsspruch des Verwaltungsgerichtshofs Kassel. Die Richter hatten im Januar eine Verordnung von Kultusminister Jürgen Banzer (CDU) gestoppt, die auch Hochschulabsolventen ohne Staatsexamen für das Lehramt einen Quereinstieg in den Lehrberuf ermöglichen sollte.

An der Suttner-Schule arbeiten zurzeit zwei solcher Quereinsteiger. Sie unterrichten die Schüler in Musik und Deutsch. Im Gegensatz zu den meisten anderen Seiteneinsteigern liefen ihre Verträge nicht nur bis zum 31. Januar, sondern bis zum Ende des Schuljahres im Sommer. Aber wie es danach ohne die beiden Lehrkräfte weitergehen sollte, das können sich weder Riffel noch Gardé so richtig vorstellen. „Ich habe doch jetzt schon Probleme, für alle 35 Klassen einen Klassenlehrer zu finden“, sagt Gardé.

An der guten Arbeit der beiden betroffenen Lehrer zweifelt sie nicht. Durch ihr Studium, Weiterbildungen und die eigenen Kinder hätten sie nicht nur von ihren Fachgebieten, sondern durchaus auch von Pädagogik Ahnung. „Ich habe doch da auch eine Eignungsfeststellung geschrieben“, betont die Schulleiterin. Außerdem habe man die Lehrerpersönlichkeit eben einfach in den Genen drin, ergänzt Hilmar Riffel.

Doch wie auch immer die endgültige Entscheidung über die Quereinsteiger ohne Staatsexamen im Lehrberuf aussehen mag, Riffel ist sich jetzt schon sicher: „Die Lehrer werden fehlen!“ Bereits heute sei es so, dass die Zahl der durch Alter und Krankheiten schwerbehinderten Kollegen immer größer werde. „Sie müssen keine Klassenlehrerfunktionen mehr übernehmen oder Klassenfahrten begleiten“, erklärt Bianca Gardé das Problem.

Es fehle schlicht der Nachwuchs. Die Ursachen dafür seien vielfältig. „Früher war man als Lehrer angesehen, heute ist der Beruf nur noch zweite oder dritte Wahl – was man den Leuten dann auch anmerkt“, sagt Riffel. Besonders schwierig sei es, für die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer Lehrer zu finden. „Ein Diplom-Chemiker lacht doch über die Bedingungen, unter denen wir hier arbeiten und über unser Einkommen.“ Bianca Gardé nickt bedrückt und ergänzt, auch das öffentliche Bild der Lehrer sei schwierig geworden. Ein Lehrer absolviere an der Suttner-Schule im Schnitt 26 Unterrichtsstunden pro Woche. „Die Lehrer im für das Bildungssystem gelobte Skandinavien unterrichten 18 Wochenstunden, der Rest ist Präsenzzeit.“

Mit der reinen Unterrichtszeit sei es für die deutschen Lehrer natürlich nicht getan, sie sei nur ein Teil der Arbeit. Unterrichtsvorbereitung, vor allem aber die zahlreichen Gespräche mit Eltern und Ämtern kämen dazu. Die dafür benötigte Zeit würde immer umfangreicher, denn die Schüler seien schwieriger geworden. Der Lehrerberuf habe inzwischen mehr mit Sozialarbeit als Wissensvermittlung zu tun. „Viele Schüler müssen erstmal lernen, wie man sich in der Gesellschaft verhält“, sagt Riffel. Schwierige Umstände in vielen Familien macht Gardé für diesen Zustand verantwortlich. Von 1000 Schülern bereiteten allerdings höchstens 20 regelmäßig Probleme, „für die restlichen 980 lohnt sich die Arbeit“. (zlp)