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Verkehrter Verkehr – DER KOMMENTAR

Das Ende der Motorisierung ist erreicht, wenn das Parken mehr kostet als das Autofahren, sagte man vor Jahren. Heute hieße das: Wenn man länger steht als man fährt. Im Augenblick fahre ich nach Bad Vilbel solange wie ich vor Bad Vilbel im Stau stehe. Auf der funkelnagelneuen Nordumgehung, die nach drei Jahrzehnten dauernden Geburtswehen endlich im Mai in die Bad Vilbeler Verkehrswelt kam, ist an keinem Morgen die Welt in Ordnung. Tag für Tag findet hier, auf der L 3008, eine „denglische“ Großübung statt: „Stopp and go!“ Es kostet zwar nichts außer Nerven und Benzin, dennoch hat man das Gefühl, dass hier für einen Schildbürgerstreich und wenig Wirkung viel Geld verplempert wurde.

Kassandra führte uns scheinbar die Finger über die Tastatur, als wir zur Eröffnung der Nordumgehung einen Bericht mit folgender Schlagzeile betitelten: „Ende der Staus – soll das wahr sein?“ Als hätten wir’s geahnt! Mit kilometerlangen Blechlawinen, oft bis nach Niederdorfelden zurückreichend, beginnt jeder neue Arbeitstag. Und irgendwie denkt man, so schlimm war es noch nie! Arme Gronauer. Sie haben mit der Nordumgehung gewiss ganz andere Hoffnungen verbunden. Ärgerlich ist, dass Verkehrsplaner und Verkehrsexperten diesem Treiben daumendrehend zusehen und in kühnsten Träumen nicht daran denken, auch nur den Finger krumm zu machen.

Unsinnsampeln an Geisterstraßen für kreuzende Feldhasen in die Gegend zu stellen, das können sie, darin sind sie Meister. Auch für zu kurz geratene Abbiegespuren legen sie sich mit all ihrem Wissen und Elan ins Zeug, damit der Geradeausverkehr auf jeden Fall auch bei Grünlicht blockiert ist und nicht aus Versehen vielleicht störungsfrei fließt. Gelernt ist gelernt!

Aber auf die dusselige Idee, mal die Grünphase für den Verkehr auf der L 3008 und der Nordumgehung in Stoßzeiten zu verlängern, darauf ist noch keiner der Verkehrskoryphäen im Gelnhäuser Straßenverkehrsamt oder im Vilbeler Rathaus gekommen. Autofahren wird folglich mehr und mehr zur Kunst, auf der Fahrt zur Arbeit bei Bad Vilbel vor Ärger nicht den Herzkasper zu kriegen. Denn keiner unserer geschätzten Großexperten sieht hier auch nur den Stein vor lauter Weisen.

Horst Samson