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„Viel Geld für wenig Gewinn“

Anhörung zum Ausbau der S 6 geht in zweite Runde – Aktionsbündnis will mehr als Standardantworten

Dem Ausbau der Main-Weser-Bahn im Abschnitt zwischen Frankfurt und Friedberg von zwei auf vier Gleise stehen zahlreiche Gegner gegenüber. Foto: Kopp
Dem Ausbau der Main-Weser-Bahn im Abschnitt zwischen Frankfurt und Friedberg von zwei auf vier Gleise stehen zahlreiche Gegner gegenüber. Foto: Kopp

Mehrere Hundert Millionen Euro investieren, um ein paar S-Bahnen störungsfreier laufen zu lassen: Das sieht das Aktionsbündnis Ba(h)nane als widersinnig an. Im Anhörungsverfahren, das in den vergangenen Tagen im Dortelweiler Kultur- und Sportforum stattgefunden hat, stoßen deren Mitglieder auf die Gegenseite, denn die Deutsche Bahn hält weiter an der Erweiterung der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt-West und Friedberg fest.

Bad Vilbel/Karben. Michael Hub kann das Vorgehen der Deutschen Bahn nicht nachvollziehen. Der Eschersheimer ist fachlicher Koordinator des Aktionsbündnisses BA(h)nane, das seit Jahren gegen den Ausbau der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt-West und Friedberg kämpft. Hub ist inzwischen zum Experten für die Infrastruktur der Bahn geworden, versucht zahlreiche Vertreter der Bahn beim Anhörungstermin im Kultur- und Sportforum in die Enge zu treiben.

Standardantworten

„Die Bahn geht mit Hochnäsigkeit an die Sache heran, es wird uns nicht plausibel erklärt, warum wir dieses Bauvorhaben denn überhaupt brauchen“, sagt er. Sein Mitstreiter Christian Böhm aus Okarben stimmt ihm zu: „Wir bekommen auf unsere kritischen Einwendungen nur Standardantworten.“

Böhm wohnt 20 Meter von der Bahnstrecke entfernt, ist zum Experten für Einwirkungen durch Erschütterungen geworden. „Es geht um die Frage, ob Erschütterungen eine Belästigung darstellen. Untersucht worden dabei ist allerdings nur, ob Belästigungen im Sitzen oder Stehen festgestellt werden. Vom nächtlichen Schlaf spricht keiner“, ärgert er sich. Doch gerade dann würden auf der erweiterten Strecke mehr Güterzüge unterwegs sein, die aktuelle Prognose spricht laut Hub von 91 statt bisher 28 Güterzügen pro Tag. „Der Herzschlag und der Blutdruck erhöhen sich, das hat langfristig immense Auswirkungen auf die Gesundheit“, ist Böhm überzeugt.

Minimaler Gewinn

Jetzt geht das Anhörungsverfahren in die zweite Runde. Nicht nur das Aktionsbündnis überzieht dabei die anwesenden Planer mit Fragen, auch Anwohner können sich zu Lärmschutz und Grundstücksverkäufen äußern. Auch der Naturschutz spielt eine gewichtige Rolle. Für das Aktionsbündnis allerdings ist ein ganzer Tag eingeplant.

Und so nimmt sich Michael Hub Zeit, versucht, Tobias Tralls, Leiter der Infrastrukturentwicklung bei der DB Netz, mit seinen Einwänden aus dem Konzept zu bringen. Mehr S-Bahnen zwischen Friedberg und Frankfurt seien gar nicht geplant, wenn auch möglich, fasst er Ausführungen von Tralls zusammen. Und auch die hochgelobte Verkürzung der Fahrzeit um fünf bis zehn Minuten wirke sich kaum aus, wenn dafür noch die Station Ginnheim angefahren werde – hier soll eine schnelle Umsteigemöglichkeit in die U-Bahn geschaffen werden, Warum also rund 550 Millionen Euro ausgeben für diesen minimalen Gewinn?

Weil der Pendlerverkehr weiter zunehme, antwortet Tralls. „Das Rhein-Main-Gebiet ist bereits jetzt die Region mit den schlechtesten Verspätungswerten in Deutschland“, argumentiert der Bahnvertreter. Mit dem Ausbau erhöhe man die Pünktlichkeit der Züge um bis zu 15 Prozent. Denn dann müssten die S-Bahnen nicht immer wieder wegen Überholungen anhalten. Durch die Verlagerung der S-Bahnen auf eigene Gleise entstünden zudem zahlreiche Vorteile für den restlichen Zugverkehr. Der könne perspektivisch erweitert werden und habe so Auswirkungen bis nach Kassel und Siegen hinein.

Allerdings wird die Bahn dafür neue Prognosen erstellen lassen müssen. Denn die aktuelle Zukunftsanalyse für den Schienenverkehr in diesem Bereich reicht nur bis zum Jahr 2025. Doch die Inbetriebnahme des zweiten Bauabschnittes zwischen Bad Vilbel und Friedberg soll nun erst 2028 erfolgen. Also muss eine neue Prognose erstellt werden. Der Baubeginn ist für 2023 vorgesehen, nach der Inbetriebnahme des ersten Bauabschnittes zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel.

Doch seien die jetzigen Pendlerzahlen bereits geschönt, mutmaßt Hub.

Denn die Bahn zähle hier Passagiere mit, die erst in Frankfurt-West einstiegen, gar nicht aus der Wetterau einpendelten. Nur zwei Züge pro Tag fielen aus dem bisherigen Taktsystem heraus, fährt er fort. „Weder Rütteltakt noch Fahrgastzahlen, noch die Zeitersparnis werden dezidiert untersucht“, stellt er dann fest. Moderiert werden die Anhörungstage von Vertretern des RP Darmstadt unter der Leitung von Christine von Knebel. Mit deren Leistung sind die Ba(h)nane-Vertreter immerhin zufrieden. „Sie moderieren unparteiisch, stellen ebenfalls kritische Fragen“, konstatiert Hub.

Gründlich überdenken

Auch wenn die direkte mündliche Aussprache für Christian Böhm eine gute Sache ist, da Rückfragen möglich sind und Sachverhalte schneller und einfacher zu klären seien als per endlosem Schriftverkehr: Das Gespräch wirkt manchmal zäh, immer wieder müssen Fragen der Kritiker präzisiert werden.

Hub und Böhm wünschen sich, dass ihre Kritik an dem Projekt ernstgenommen wird. „Für Projekte wie die Regionaltangente West wird weit weniger Geld ausgegeben, dessen Finanzierung ist sogar in Gefahr. Doch hier wird für diesen kleinen Gewinn so viel Geld ausgegeben. Das muss noch einmal gründlich überdacht werden“, ist Hub überzeugt.

Doch das sieht man bei den Vertretern der Bahn nur sehr eingeschränkt so. So fasst ein Sprecher der Bahn die Eindrücke der Podiumsteilnehmer kurz wie folgt zusammen: „Die Einwendungen zu den Themen Nutzen-Kosten-Untersuchung und Baurecht sowie die Behauptung, dass der Ausbau einer Güterverkehrsmagistrale diene, sind nicht berechtigt.“

Zum Erschütterungsschutz gebe es allerdings unterschiedliche Auffassungen zwischen den Planern und den Gegnern. Diese würden bei der ersten Baustufe zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel derzeit gerichtlich geklärt. Bei der zweiten Baustufe zwischen Bad Vilbel und Friedberg würden die diesbezüglichen Themen im Zuge der Planfeststellung erörtert.