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Vilbeler Schandflecke – Besonders ärgerlich: die Brache der beiden leer stehenden Reifschneider-Häuser

Bad Vilbel. Neugierig spähten zwölf ältere Herrschaften durch die Glasfenster auf der Rückseite des Kurmittelhauses. „Dort vorne gibt es noch die alte Sauna-Einrichtung, es fehlt nur die Bereitschaft der Stadt, für Personal zu sorgen“, erläutert Ehrenstadtrat Helmut Lehr (SPD) seinen Weggefährten von der SPD-AG 60plus. Eine Zuhörerin bestärkt ihn in seiner Ansicht: „Die haben ein ,Bad’ davor, aber in Bad Vilbel gibt es gar kein Bad mehr.“ Saunagänger müssten ausweichen auf Hotels oder ins Berufsförderungswerk. In der verwaisten Rotunde des Gebäudes könnten Vereine einziehen, meint die Passantin.

Der Bau eines Parkhauses im Kurpark sei nicht notwendig, das Projekt hätte auch an der Kasseler Straße in Höhe der Wiesenstraße realisiert werden können, erläutert Lehr. Dort sei im Februar das Areal einer ehemaligen Maschinenfabrik zwangsversteigert worden, auch das angrenzende Grundstück hätte die Stadt kaufen können, ein angrenzendes gehöre ihr bereits.

Seit Jahren stört Ralf Spiegler der „Schandfleck“ vor dem Rewe in der Frankfurter Straße, wo auch nach dem Umbau weiterhin ein Kartonlager das Entree der Stadt verschandele – „und am Wochenende werfen alle zusätzlich ihr Zeug drauf“.

Viele Ecken in der Stadt empfinden die Teilnehmer des Rundgangs als vernachlässigt. So etwa den Brunnen neben der Stadtschule, der nicht zum Verweilen einlade. Da habe einfach jemand die Ecke zugeplant, hieß es. Vertrocknete Grünpflanzen in Kübeln vor der Nidda-Passage oder die mit Werbeplakaten zugestellten Gehwege seien ein Fall für das Stadtmarketing und das Ordnungsamt. Manche Stellen sollten dringend mit dem Dampfdruckstrahler bearbeitet werden, etwa das verwitterte Denkmal im Kurpark für Heinrich Karlein, dem früheren Vorsitzenden des Heimat- und Verkehrsvereins und städtischen Förderer.

Besonders ärgerlich fanden die SPD-Senioren die Brache der beiden leer stehenden Reifschneider-Häuser in der Frankfurter Straße 77. Sie stünden seit über 25 Jahren leer, es gebe derzeit aber eine Veränderungssperre, die den Abriss gar nicht erlaube, erklärte Bauausschuss-Mitglied Werner Neuß. Lehr fordert die Stadt auf, die Gebäude zu erwerben, auch wenn dies viel Geld koste. Dann könne das Areal mit dem angrenzenden ehemaligen Schwesternwohnheim mit bebaut werden, das der Stadt gehört und derzeit von der Kunstschule genutzt wird.

Stillstand beklagen die SPD-Leute auch beim Ströbel-Areal, wo seit Ende 2004 nichts passiere. Der Düsseldorfer Projektentwickler ITG habe jetzt erneut einen Plan beim Bauamt eingereicht, so Lehr, doch befürchte man, wieder keine Genehmigung zu erhalten. Die ITG habe Bad Vilbel als Standort abgeschrieben, in der Krise seien keine Investoren mehr zu finden. Lehr fordert die Lokalpolitiker auf, „mehr für ihre Heimatstadt zu kämpfen“. Schuld an der Misere hätten jedoch alle Politiker im Stadtparlament, denn Bürgermeister Thomas Stöhr und der Erste Stadtrat Jörg Frank (beide CDU) seien nur Diener der Bürger. Viele der SPD-Senioren glauben jedoch, dass die Politiker sich gar nicht um den Zustand der Einkaufsstraße kümmerten: „Die haben alle ihre Metro-Card in der Tasche.“ Das Desinteresse gebe es auch in den Ortsteilen, meinte der Dortelweiler SPD-Ortsbezirkschef Hans-Joachim Hisgen und klagte: „Vor 40 Jahren hatte Dortelweil einen Gemeindearbeiter – und das funktionierte besser als heute.“

Die SPD-Senioren monierten auch, dass der zur Innenstadt hin gelegene Nidda-Uferweg vor Jahren „in einer Nacht- und Nebel-Aktion“, so Neuß, für den Radverkehr freigegeben worden sei, wofür er aber viel zu eng sei. Gefährlich seien auch die nur durch Pfosten markierten Stellen auf dem gegenüberliegenden Fußweg, wo Hindernisse wie ein Brunnenhaus unbeschildert in die Fahrbahn hineinragten.

Unverständnis zeigten die Rundgänger am Schützenhofsteg, wo ein Gerät aus der Brunnenindustrie ohne weitere Erläuterung herumsteht. Das gehöre „auf den Schrottplatz oder ins Museum“, hieß es.

Enttäuscht waren die Senioren am Schluss des Rundgangs vor dem Kurhaus ohne Restauration. „So ein Haus mitten in der Stadt – das darf nicht tot sein!“ Die Lage an der Nidda mit Terrasse sei ideal für Ausflügler, doch wenn heute von Busgesellschaften gefragt werde, die etwa beim Römermosaik Station machten, müsse ihnen leider gesagt werden: „Fahren Sie weiter – hier finden Sie nichts!“