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»Wir stoßen zu oft an Grenzen«

Bieten Sprechstunden für Flüchtlinge an: Sabine Forchel und Uschi Schilke vom AK Asyl Schöneck. Foto: Fritzsche
Bieten Sprechstunden für Flüchtlinge an: Sabine Forchel und Uschi Schilke vom AK Asyl Schöneck. Foto: Fritzsche

Schöneck. »Manchmal fühlt man sich selbst als Ausländer, wenn man vor dem Amtsdeutsch auf den unzähligen Anträgen sitzt«, sagt Uschi Schilke. Sie ist Mitglied im Arbeitskreis (AK) Asyl und unterstützt Geflüchtete ehrenamtlich beim »Papierkrieg« mit den deutschen Behörden.
Gemeinsam mit Sabine Forchel bietet sie mittwochs von 15 bis 18 Uhr eine Sprechstunde in Kilianstädten an. Die Frauen kritisieren die vielen bürokratischen Hindernisse. Die beiden Schöneckerinnen gehören zu den wenigen, die vom großen Unterstützerkreis des 2013 gegründeten Arbeitskreises Asyl bei der Stange geblieben sind.
»Wir sind nur noch ein kleines Häuflein. Die Frustration, zu oft an Grenzen zu stoßen, hat die Einsatzbereitschaft der meisten nach ein paar Jahren verschlissen«, sagt Schilke. Hingegen sei die Zahl der Hilfesuchenden nicht gefallen, sondern eher gestiegen.
Viele Mitstreiter
haben kapituliert

Im Gespräch mit der Zeitung berichten sie von den Herausforderungen, die Geflüchteten bei der Kommunikation mit den Ämtern zu unterstützten. »Das hat sich in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert. Wegen des Datenschutzes brauche ich eine schriftliche Vollmacht von jedem Familienmitglied, für das ich Anrufe tätige«, erzählt Schilke. Sonst bekomme sie keine Auskunft mehr. Wo es früher eine feste Sachbearbeiterin als Ansprechpartnerin gab, landet sie heute in einer Warteschleife einer zentralen Nummer.
Von Digitalisierung sei in den Ämtern noch herzlich wenig zu spüren. Anträge per E-Mail würden nicht akzeptiert. Die Bescheide, wenn sie dann endlich zugehen, wimmelten von Paragrafen und die Entschlüsselung sei von Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, niemals zu bewältigen.
»Auch wir haben damit unsere liebe Mühe. Schließlich sind wir keine Juristen oder fachkundige Sachbearbeiter mit entsprechender Ausbildung«, so Schilke. Viele Mitstreiter hätten daher kapituliert.
Was immer noch gut funktioniere, sei das Patenschaftssystem. Dort bestünden weiterhin enge Kontakte. Mit Enthusiasmus sei es damals losgegangen, um den Menschen aus den fremden Kulturen Starthilfe zu geben. Das große Ziel: Hilfe zur Integration. Dabei gibt es eine Menge zu tun: Berge von Papierkram, Behördengänge, Anrufe und vor allem die Sprache und Verständigung in Angriff nehmen.
Vor allem die überbordende Bürokratie lasse sie oft die Haare raufen, erzählen die Frauen. Sabine Forchel berichtet von einer jungen eritreischen Familie, die mit ihrem Neugeborenen persönlich im Amt in Gelnhausen vorstellig werden musste, um einen siebenseitigen Aufenthaltsgestattungsantrag für das Kleine abzugeben. Zudem müsse für den Säugling ein separater Asylantrag gestellt werden, unabhängig von den Eltern.
Eines der Hauptprobleme: Eine große Zahl der Asylsuchenden hat keine Geburtsurkunden und auch keine sonstigen Herkunftsnachweise. Das werde aber vorausgesetzt, um die Aufenthalts- oder Ausbildungsgenehmigung zu erhalten. Kinder, die beispielsweise auf der Flucht auf die Welt gekommen sind, haben überhaupt keine Möglichkeit, an eine Geburtsurkunde zu gelangen. Aber ohne diese können Paare beispielsweise auch nicht heiraten.
»Es muss doch möglich sein, Ersatzpapiere auszustellen«, beklagt Schilke. »Sie bekommen dann oft von Mitarbeitern in der Verwaltung gesagt, dass sie in den Konsulaten ihrer Herkunftsländer die Papiere beantragen sollen. Das ist aber so nicht möglich. Sie können nicht einfach in den Botschaften der Länder auftauchen, aus denen sie geflohen sind, ohne Repressalien zu befürchten«, erklärt Forchel.
Eine weitere Hürde: Geflüchtete aus einigen Ländern bekommen keine Bewilligung zum Integrations- und Sprachkurs, da man davon ausgeht, dass ihnen nur eine vorübergehende Duldung des Aufenthaltes zugestanden wird. »Dieser Zustand kann sich sehr lange Zeit hinziehen. Der Betroffene darf keinen Sprachkurs besuchen, darf nicht arbeiten – er hängt in der Schwebe«, so Schilke. Dabei wollten sich die meisten ein neues Leben aufbauen. »Klar ist: Es ist kein Best-of nach Deutschland gekommen, sondern querbeet. Aber unserer Erfahrung nach sind die meisten redliche Leute.«
Schwierig sei es mittlerweile auch geworden, Wohnungen für die Asylsuchenden zufinden. »Viele wollen in Schöneck bleiben, doch bezahlbarer Wohnraum ist wie überall Mangelware«, so die beiden Mitglieder des AK Asyl. Zudem habe die Bereitschaft von Vermietern nachgelassen, an Geflüchtete zu vermieten.
Trotz aller Widrigkeiten, wollen die Frauen weiter helfen. Was sie sich wünschen würden, wenn eine gute Fee vorbeikäme? »Das ist einfach«, sagen Sabine Forchel und Uschi Schilke, »eine bessere Erreichbarkeit der zuständigen Ämter, beschleunigte Verfahren und mehr Transparenz.«
Mitstreiter
willkommen

Der AK Asyl würde sich über weitere Mitstreiter freuen. Interessierte Mitbürger können sich im Rathaus Kilianstädten in der Zentrale melden: Tel. 06187 9562-0; E-Mail: info@schoeneck.de.
Von Mirjam Fritzsche