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Wort zum Sonntag: Wie soll ich an Gott glauben?

„Die machen mir Angst“. Vor mir steht ein gestandenes Mannsbild in den 50ern. Er spricht vom Islam. Eigentlich meint er wohl den radikalen Islam, den gewaltbereiten Islamismus. Auch mir machen Bilder von Boko Haram, IS-Kämpfern oder Pariser Attentätern Angst. Mir machen aber auch fundamentalistische Christen Angst, die sich aufgerufen fühlen, das christliche Abendland oder Gods Own Country America zu verteidigen. Und wenn in Indien radikale Hindus deutlich an Macht gewinnen und Angehörige anderer Religionen verfolgen, dann ist das genau dasselbe.

Es gehört zur Tragik von Religion, dass sie relativ leicht missbraucht werden kann für Machtziele Einzelner. Daher haben es ebenso fundamentalistische Religionskritiker so leicht, sich vollmundig gegen alle Religion an sich auszusprechen. Sie übersehen, dass sich ohne Religion nichts ändern würde: Die Interessen der Machtgierigen würden sich andere Projektionsflächen suchen: Rassen, Kulturen, Traditionen sind schon ebenso oft instrumentalisiert worden.

Vielleicht haben einige unter uns auch deshalb Angst vor anderen Religionen, weil der christliche Glaube unter uns oft so beliebig gelebt wird, so gleichgültig und ohne Relevanz für das Leben. Genau diesen Spiegel halten uns Angehörige anderer Religionen ja auch vor.

Was also tun, wenn radikale Fundamentalisten welcher Religion auch immer den Glauben an Gott pervertieren und anderen Angst machen – und wenn der eigene Glaube zu schwach zu sein scheint, um dagegen halten zu können? Ich möchte uns Mut machen zu zwei Dingen:

1. Angst ist nie ein guter Ratgeber! Lasst uns im Gespräch sein miteinander, um den Glauben der anderen besser zu verstehen. Lasst uns so mutig sein, die eigene Perspektive zu verlassen und eigene Positionen zu hinterfragen. Gegenseitiges Wissen und Verstehen hilft gegen Vorurteile, Klischees und einseitige Sichtweisen.

2. Lasst uns den eigenen Gottesglauben fröhlich und ernsthaft leben! Also so, dass er im Alltag wichtig ist und andere ihn auch an mir erkennen – an Worten und Taten der Liebe Gottes. Dass sie mich als fröhlichen Gottsucher und Gottvertrauer erleben, weil Gott mein Leben reich machen will. Die Freude darüber darf man mir anspüren…

Ich wünsche uns einen solchen selbstbewussten, fröhlich-ernsthaften und zugleich liebevollen Gottglauben! Herzliche Grüße,

Klaus Neumeier, Pfarrer

Christuskirche, Bad Vilbel