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Wort zum Sonntag

„Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“ (Joh. 19,37). Dieses Wort aus der Heiligen Schrift leitet unsere diesjährige Betrachtung zur Fastenzeit. Die österliche Bußzeit ist besonders geeignet, zusammen mit Maria und Johannes, dem Liebesjünger, bei dem zu verweilen, der am Kreuze für die ganze Menschheit sein Leben geopfert hat (vgl. Joh. 19,25). In dieser Zeit der Buße und des Gebetes werden wir darum unseren Blick mit lebendiger Anteilnahme zum gekreuzigten Christus, der durch seinen Tod auf Golgota uns die Fülle der Liebe Gottes offenbart hat.

Im Geheimnis des Kreuzes offenbart sich in aller Fülle die uneingeschränkte Macht, mit der sich der himmlische Vater erbarmt. Um die Liebe seines Geschöpfes wiederzugewinnen, hat Er einen sehr hohen Preis aufgebracht: Das Blut seines eingeborenen Sohnes. Der Tod, für den ersten Adam Zeichen der äußeren Einsamkeit und Ohnmacht, wurde gewandelt in den höchsten Akt der Liebe und der Freiheit des neuen Adam.

Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir auf den am Kreuz durchbohrten Christus! ER ist die erschütterndste Offenbarung der Liebe Gottes, einer Liebe, in der Eros und Agape jenseits von allem Gegensatz sich gegenseitig erhellen. Am Kreuz bettelt Gott selbst um die Liebe seines Geschöpfes: Ihn dürstet nach der Liebe eines jeden von uns. Der Apostel Thomas hat in Jesus den „Herrn und Gott“ erkannt, als er die Hand in die Seitenwunde legte. Es überrascht nicht, dass viele Heilige im Herzen Jesu den bewegendsten Ausdruck des Geheimnisses dieser Liebe sehen.

Fürwahr nur die Liebe, in der sich die kostenlose Selbsthingabe und der leidenschaftliche Wunsch nach Gegenseitigkeit vereinen, gewährt eine Trunkenheit, welche die schwersten Opfer leicht macht. Jesus hat gesagt: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Sehnsüchtig erwartet der Herr von uns vor allem die Antwort, dass wir seine Liebe annahmen und von Ihm an sich ziehen lassen. Wobei es nicht genügt, seine Liebe lediglich anzunehmen. Solche Liebe und solcher Einsatz wollen ihre Entsprechung in der Weitergabe an die anderen: Christus „zieht mich zu sich“, um sich mit mir zu vereinigen, damit ich lerne, die Brüder und Schwestern mit seiner Liebe zu lieben.

„Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“. Schauen wir mit Vertrauen auf die durchbohrte Seite Jesu, aus der „Blut und Wasser“ (Joh 19.34) flossen.

Pfarrer Wolfgang Kalus, kath. Kirche Verklärung Christi