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Zum Gedenken – Künstler Gunter Demnig verlegt weitere Stolpersteine in Schöneck

Im Fokus der berührenden Veranstaltung standen die Schicksale der Büdesheimer Familien Schwab und Strauss. Alle Familienmitglieder wur- den während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis verfolgt, einigen gelang die Flucht.

Schöneck. Es sind „nur“ vier goldfarbene Steine, eingelassen in den Boden vor einem Haus. Doch sie bedeuten die Welt für eine Familie, die in den 30er und 40er Jahren unvorstellbares Leid ertragen musste. In dem Haus in Büdesheim wohnten Levi und Selma Schwab mit ihren Kindern Lilli und Karl. Ihnen gelang 1936 die Flucht, die Eltern wurden 1942 verschleppt und ermordet.

Kürzlich wurden erneut so genannte „Stolpersteine“ in den Boden eingebracht. Mit der Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig soll an Büdesheimer Menschen gedacht werden, die aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Opfer des Nationalsozialismus wurden. Demnig verlegte vor zwei Häusern insgesamt acht Stolpersteine. Die kubischen Gedenksteine aus Messing zementierte Demnig in die Gehwege vor den Häusern der Juden, die hier früher gelebt haben.

Zitat aus dem Talmud

Der Künstler zitierte aus dem Talmud: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Bürgermeisterin Conny Rück (SPD) und zahlreiche Interessenten beobachteten betroffen und in feierlicher Stimmung, wie Demnig die Serien vor dem Haus in der Schulstraße 2 einzementierte. In der Südlichen Hauptstraße, früher Adolf-Hitler-Straße 3, wurde an Leo, Lina, Alfred und Margot Strauss erinnert. Sie konnten Bedrohungen, Schikanen und Ausgrenzungen nicht mehr ertragen und flüchteten 1937 mit dem Schiff nach Argentinien.

Bei der Verlegung der Stolpersteine wurde auch an das Leben erinnert, dass die Verfolgten und Ermordeten vorher in der Gemeinde führten. Berührend berichteten Sandra Merz, Gabriela Garbo und Vivian Seltenheim, Schülerinnen der Bertha-von-Suttner-Schule in Nidderau, über Zusammenhang und Zusammenhalt der jüdischen Familien, vom Leben und Lieben, von Berufen und Schicksalen.

Kein Geld bekommen

Levi Schwab beispielsweise hatte ein Kurzwarengeschäft und einen Tierhandel, musste aber bereits ab 1933 bei anderen Familien Aushilfsarbeiten verrichten. Es gelang ihm nicht, sich gegen Nichtjuden zu wehren. Das ihm zustehende Geld für seine Geschäfte bekam er oft nicht. Selma Schwab handelte mit Ölen und wurde 1937 gezwungen, ihr Unternehmen aufzugeben.

Mit der Enteignung jüdischen Grundbesitzes mussten die Familien ihre Anwesen räumen und wurden in das Ghettohaus in der Bahnhofstraße umgesiedelt. Zusammen mit anderen Familien mussten sie sich die kleine Unterkunft teilen. Das Haus der Familie Strauß in der Südlichen Hauptstraße 3 wurde als Parteihaus der NSDAP genutzt.

Der katholische Pfarrer Thomas Korfmann las an der Geburtsstätte der Familie Schwab aus dem eindrücklichen Psalm 13 vor: „Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen? (…) Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängstigen in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?“

Die etwa 50 anwesenden Bürger waren sichtlich betroffen. Trotz allem Grauen sind bis heute auch Freundschaften erhalten geblieben, etwa zwischen dem Büdesheimer Paul Nickel und seinem Freund Alfredo Strauß, der heute in Buenos Aires lebt. Nickel berichtet bewegt: „Ich bin jetzt froh, dass nach so langer Zeit ein Gedenken an die jüdischen Freunde geschaffen wurde.“