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Das schadenfrohe Männlein in mir – Das Wort zum Sonntag

Vor wenigen Tagen ist die diesjährige Fastnacht zu Ende gegangen. Haben Sie ordentlich mitgefeiert? Oder war es Ihnen egal, was die Jecken wieder auf die Beine gestellt haben? Früher gab es ganz fromme Christen, die in frohen Fastnachtsfeiern vor allem die Sünde lauern sahen. Kann Gott das gut heißen, was an Fastnacht passiert? Ist es nicht eine zu große Versuchung, da mitzumachen?

Die meisten von uns werden jetzt wahrscheinlich nur abwinken. Eine solche Ablehnung von Fastnacht ist doch überholt. Und wie ist das mit der Versuchung? Nur ein altes verstaubtes Wort? Kennen wir nicht in unserem Leben Versuchungen? Wir möchten so gerne abnehmen oder unsere gute Linie halten. Doch da steht im Supermarkt ganz verlockend die Schokolade im Regal. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen. Wir kämpfen mit uns. Na, greif doch zu, eine Schokolade ist doch nicht so schlimm! Nein, man muss sich doch etwas gönnen, das Leben ist schon hart genug. Aber ein Apfel schmeckt doch auch gut! Greifen wir nun zur Schokolade oder nicht? Ein zarte Versuchung, zugegebenermaßen. Es gibt aber auch ganz andere. Ein Nachbar ist uns von Herzen unsympathisch. Er stellt sich mit seinem Auto immer halb vor meine Einfahrt. Im Sommer feiert er immer so unverschämt lange mit seinen Freunden im Garten. Und grüßen kann er auch nicht. Ob ich nicht mal mit einem scharfen Gegenstand an seinem Auto vorbeigehen soll und dabei natürlich ganz ohne Absicht eine tiefe Schramme in seinen tollen Schlitten ritze? Das Gesicht am anderen Morgen würde ich gerne sehen! Mache ich es oder nicht? Gibt es nicht ein kleines schadenfrohes Männlein in mir?

Versuchung ist etwas ganz Reales in unserem Leben. Nicht nur ein altes verstaubtes frommes Wort. Besonders schlimm kann die Versuchung sein, wenn wir in unserem Leben aufgeben wollen. So vieles gelingt nicht. Keiner mag mich. Und die Welt wird immer kälter. Gib doch auf! Hör auf, ein besseres, erfüllteres Leben zu ersehnen! Lebe stumpf von Tag zu Tag und betäube dich mit irgendetwas. Ich glaube, das ist die schlimmste Versuchung, die es für uns geben kann. Jesus will uns helfen, dass wir nicht in dieser Versuchung stecken bleiben. Er glaubt an uns und weckt in uns die Sehnsucht nach dem erfüllten Leben. Er gibt uns die Hoffnung, dass die bösen oder aber auch traurigen Gedanken in uns nicht das letzte Wort haben. Gegen diese Versuchung hilft uns auch die Gemeinschaft der Christen. In ihr machen wir uns gegenseitig Mut, helfen uns zu leben, muntern uns auf. Diese Erfahrung mache ich jedenfalls immer wieder in der Gemeinde.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude in der nächsten Zeit, auch wenn die Fastnachtszeit vorbei ist.

Pfarrer Michael Solle

Ev. Christuskirche Bad Vilbel