
Karben. Zwischen Rendel und Niederdorfelden ist vor einigen Tagen ein hölzerner Storchenmast umgestürzt. Schon vorher soll er eine leichte Schieflage gehabt haben. Wie es dazu kam, dass der Mast umgekippt ist und wieso das für die Störche kein allzu großes Problem mehr sei, erklärt Hessen Forst.
Die Rückkehr des Weißstorches in die Wetterau sei eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes. Zwischen 1980 und 1992 galt der Weißstorch in der Region als verschwunden, denn es wurden laut Hessen Forst keine brütenden Paare mehr gesichtet. »1986 war das Minimum erreicht, als in ganz Hessen nur noch ein Brutpaar zu Hause war«, wird Stefan Stübing, Vogelexperte bei der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie (HGON) in Echzell, zitiert.
Dank gezielter Schutzmaßnahmen, wie der Errichtung künstlicher Nisthilfen, der Ausweisung und Pflege von Naturschutzgebieten sowie umfangreicher Renaturierungsprojekte, sei die Trendwende gelungen. Im Sommer 2024 wurden in der Wetterau weit über 200 Brutpaare registriert, heißt es. Immer häufiger würden die Störche ihre Nester wieder auf Bäume bauen – ein Zeichen dafür, dass sie zunehmend unabhängiger von künstlichen Nisthilfen werden.
Früher wurden bevorzugt 14 Meter hohe Holzmasten als Nisthilfen aufgestellt, um zu verhindern, dass die Störche sich auf Hochspannungsmasten niederlassen, was mit erheblichen Risiken für die Vögel und für die Stromversorgung verbunden ist, sagt Hessen Forst. Diese in die Jahre gekommenen Holzmasten zeigen inzwischen Alterserscheinungen: Am Fuß marode geworden, kann es vor allem bei Stürmen vereinzelt zum Umsturz kommen. So auch bei dem Mast zwischen Rendel und Niederdorfelden, der vor einigen Jahren einen Blitzschlag abbekommen habe. Zwar habe er seitdem noch einige Brutzeiten überstanden, doch die Schädigung sei offenbar nachhaltig gewesen.
Der Austausch des Mastes – wie auch eines weiteren, der durch einen Specht beschädigt wurde, war laut Hessen Forst nach der aktuellen Brut- und Setzzeit vorgesehen. Eine Kontrolle des umgestürzten Nestes ergab keine Hinweise auf Eier oder Jungvögel.
Dass der Mast nun umgefallen ist, hat für die betroffenen Störche laut Hessen Forst keine gravierenden Folgen. Weißstörche seien heute nicht mehr ausschließlich auf künstliche Nisthilfen angewiesen. Sie würden zunehmend natürliche Alternativen wie Bäume oder sogar Jagdhochsitze zum Nestbau nutzen. Das sei ein positives Zeichen: Es zeige, dass die Population groß genug sei, um sich an neue Bedingungen flexibel anzupassen.
Im Wetteraukreis würden noch viele dieser alten Holzmasten stehen. Einige seien altersbedingt bereits leicht geneigt oder würden andere Abnutzungserscheinungen zeigen. Der Austausch aller Altmasten auf einmal sei logistisch und finanziell nicht möglich, heißt es. Zumal die neuen, speziell angefertigten Ersatzmasten aus Stahl mit integriertem Blitzschutz und erstmalig auch mit zusätzlichen Nistmöglichkeiten (z. B. für Turmfalken) ausgestattet werden würden. Sie seien langlebiger – und auch deutlich kostenintensiver. Von der Produktion bis zur Lieferung dieser Masten könne es mehrere Monate dauern.
Das Aufstellen neuer Masten sei nicht zu jeder Jahreszeit möglich. Die Arbeiten erfordern laut Hessen Forst trockenes Wetter, um Bodenverdichtung und Schäden durch schweres Gerät auf den feuchten Böden der Auen zu vermeiden. Zudem würden sich viele der Standorte in Natura-2000- oder Naturschutzgebieten befinden, wo in der Brutzeit von März bis Juli besondere Rücksicht auf sehr seltene, bodenbrütende Vogelarten genommen werden müsse. In dieser Phase gelte ein strenges Störungsverbot, für dessen Einhaltung die amtliche Naturschutzwacht eingesetzt werde.
Deswegen erfolgen die Austauschmaßnahmen gebündelt und nach der Brut- und Setzzeit. Für den Spätsommer 2025 ist im Kreisgebiet der Austausch von circa zehn umgestürzten Masten inklusive eines weiteren stark umsturzgefährdeten Mastes geplant. Von Jennifer Ningel