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Blechlawine im Dorf – Weil morgens die Hölle los ist, hoffen selbst Okärber auf die Nordumgehung

Karben. Stoßstange an Stoßstange rollen sie durch die Großgasse. Zehn, zwanzig Fahrzeuge sind es, dann wieder eine Minute Ruhe, dann kommen die nächsten, immer schubweise. Morgens um kurz vor acht stehen Helmut Scheid (59) und seine Nachbarn am Zaun und beobachten das Spektakel. „Das geht seit Jahren so und es wird nicht besser“, sagt der Sozialarbeiter und Hausmann.

1981, als er herzog, „fuhren hier am Tag vielleicht 300 Autos durch“, berichtet Scheid. Die Großgasse, eine enge Durchfahrt zwischen den Fachwerkhäusern, ist heute eine wichtige Pendlerstrecke: Über den Klingelwiesenweg und durch Okarben spart sich mancher Autofahrer aus Burg-Gräfenrode, Ilbenstadt und Groß-Karben den täglichen Stau in Groß-Karbens Bahnhofstraße. Scheids Nachbar, Rentner Egon Kirchmann (66) hat zwischen 7 und 7.15 Uhr schon einmal 100 Fahrzeuge gezählt. „Dann wären es 400 in der Stunde“, rechnet er hoch. Von 6.30 bis 8.30 Uhr ist Stoßzeit in der Großgasse.

„Das Schlafen kann man sich dann abschminken“, sagt seine Frau Christa (62). Jahrzehntelang arbeitete sie als Büroangestellte. Dass sie nun in Pension ist, kann die gebürtige Okärberin nicht genießen. Nicht nur die Blechlawine an jedem Morgen nervt sie. In den übrigen Tages- und Nachtzeiten machen Raser und Lastwagen den Menschen in der Großgasse das Leben schwer. „Dann vibriert das Haus bis in den ersten Stock und die Gläser klirren in den Regalen“, berichtet Christa Kirchmann.

Zwar gilt Tempo 30 und für Laster ab 3,5 Tonnen ein Durchfahrverbot. Seit aber der Klingelwiesenweg in den 1970er-Jahren vom Feldweg zur Straße ausgebaut wurde, nimmt der Verkehr zu. Regelmäßiges Blitzen, Poller, Schwellen in der Fahrbahn – nichts bremst die Autos dauerhaft aus.

„Wir haben alles schon tausendfach mit der Stadt besprochen, mit Stadtrat Schmitt, den Bürgermeistern Schulz und Engel“, berichtet Scheid. Der Ortsbeirat habe vielfach darüber beraten und Abhilfe gefordert, berichtet Ortsvorsteher Matthias Flor (SPD). Er rollt gerade auf seinem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit durch die Großgasse, stoppt spontan bei den Anwohnern am Hoftor.

„Nur die Nordumgehung nimmt hier hoffentlich den Verkehr raus“, sagt Helmut Scheid. Seine Nachbarn nicken zustimmend. Die neue Straße wirke für Okarben wie eine Südumgehung. Damit sie alle Fahrzeuge nutzen, müsse man die Durchfahrt durch den Klingelwiesenweg dann absperren, finden die Anwohner. „Das ist derzeit eine reine Verdrängung des Verkehrs“, ist Bürgermeister Guido Rahn (CDU) überzeugt, dass die Umgehung das Heilmittel auch für die Okärber ist. „Ja, dann wird das besser“, stimmt Ortsvorsteher Flor am Bordstein stehend zu. Als er allerdings die Lösung aller Verkehrsprobleme verspricht, wenn die Umgehung sowie die B 3a endlich gebaut seien, da schütteln die Anwohner den Kopf. „Die SPD“, sagt Helmut Scheid, „hat doch 30 Jahre lang gepennt.“ (den)