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Der Flaneur von Bad Vilbel – Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte • Neunzigjähriger Frankfurter kommt seit Jahren jeden Tag in die Quellenstadt

Bad Vilbel. Helmut Fischer (90) ist nach den Worten seiner Ehefrau Annemarie (80) in Bad Vilbel bekannt „wie ein bunter Hund“. Der rüstige Rentner fährt jeden Tag mit dem Bus von seinem Wohnort in Frankfurt-Eckenheim nach Bad Vilbel, um im Kur- und Burgpark spazieren zu gehen. „Die grüne Lunge der Quellenstadt gefällt mir bei jedem Wetter sehr gut. Meine Lieblingsecke ist der Teil zwischen Denkmal und Kurhaus. Hier stehen prächtige alte Bäume wie Blutpflaume und Hängebuche“, schwärmt der Naturliebhaber.

Der wertvolle Baumbestand dieses historischen und unter Denkmalschutz gestellten Teils des Bad Vilbeler Kurparks hat es auch Ehefrau Annemarie angetan, die ihren Mann ab und zu auf seinen Spaziergängen begleitet: „Wir sind sehr naturverbunden. In unseren ersten Urlauben nach dem Krieg haben wir im Taunus gezeltet.“ Ob zu zweit oder allein, Helmut Fischer langweilt sich in der Quellenstadt nie. Inzwischen hat er viele Bekannte im südlichsten Zipfel der Wetterau. Vor allem mit Hundebesitzern und Senioren hält er bei seinen Aufenthalten gern ein Schwätzchen. „Ich gehe nach einem kleinen Frühstück vor sechs Uhr aus dem Haus und fahre mit dem Bus nach Vilbel. Meine Frau kann dann in Ruhe den Haushalt machen, Einkäufe erledigen und das Mittagessen zubereiten. Ich bin ihr aus den Füßen und habe eine schöne Beschäftigung auf die ich mich jeden Tag freue. Den ganzen Tag zu Hause halte ich nicht aus. In dem für mich verkehrsgünstig gelegenen Vilbel kann ich meiner Liebe zur Natur frönen. Früh morgens herrscht im Kurpark eine große Ruhe, die nur vom aufgeregten Zwitschern der Vögel unterbrochen wird“, berichtet der „Spaziergänger von Vilbel“. Ein Umzug aus der Großstadt in die Kleinstadt kommt für den gebürtigen Bornheimer aus Altersgründen nicht mehr in Frage.

Beschäftigt war der gelernte Maler und Weißbinder im Gartenamt der Stadt Frankfurt. Mit 63 Jahren ging er in Rente. Ehefrau Annemarie kümmerte sich 17 Jahre lang um den Haushalt und die Erziehung von Sohn Heinz, der mit seiner Familie in Dietzenbach-Steinberg lebt. Seitdem Helmut Fischer im Ruhestand ist, frönt das Paar verstärkt seinen beiden großen Leidenschaften Reisen und Kunst. „Ich bin auf der ganzen Welt herumgekommen. Als junger Soldat in Frankreich, Rußland und Italien. Später habe ich mit meiner Frau auf vielen Reisen Europa, die Türkei, Israel, Nordafrika und Texas erkundet. Mit dem Schiff sind wir durch die Karibik gefahren und über die Weltmeere geschippert“, sagt Helmut Fischer. „Wir haben unser Geld für Reisen, Kunst und Kultur ausgegeben. Wir haben Bilder der Maler Fritz Rotloff, Felix Müller und Erich Heckel gesammelt“, bekräftigt Ehefrau Annemarie mit einem strahlenden Lächeln. Seine Liebe zur Malerei wäre dem aufrechten Demokraten aus Arbeiterkreisen 1933 fast zum Verhängnis geworden. Zusammen mit politisch Gleichgesinnten wurde er am 28. Februar 1933 beim „Malen von Parolen gegen Hitler auf Hauswände“ von Beamten der Staatspolizei verhaftet und bis zum 3. März 1933 in Schutzhaft genommen. Eine Kopie der behördlichen Bescheinigung trägt Helmut Fischer seither immer bei sich.

Der Hobbymaler war jahrelang Mitglied im Frankfurter Kunstverein. Seine kleinformatigen Ölbilder fanden bei Kunstkennern auf Ausstellungen reißenden Absatz. Landschaften zählen zu seinen Lieblingsmotiven. Das Talent habe er geerbt, berichtet Fischer. Sehr gut gemalt hätten bereits sein Opa, der Architekt war und sein Vater, ein Feinmechaniker. Auch sein älterer Bruder Ernst malte sehr gut und sein Sohn Heinz, der seine Begabung beruflich als Farblithograf einsetze.

Die Kunstwerke im Burgpark rund um die Wasserburg findet der Maler Fischer gut. Bei seinen Spaziergängen legt er bei Tengelmann im Markt-platzzentrum meist eine Pause ein, um einen zweiten Kaffee zu trinken und ein bisschen auszuruhen. Danach geht er durch den Kurpark zurück zur Bushaltestelle am Zentralparkplatz und fährt nach Frankfurt am Main zurück.