Veröffentlicht am

Die Demokratie schützen

Bereits vor dem Bericht von Correctiv sind im November Karbenerinnen und Karbener auf die Straße gegangenen, um gegen ein Treffen der AfD zu demonstrieren. Mit dem Antrag zur »wehrhaften Demokratie« möchte das Parlament solche Demonstrationen unterstützen. Foto: Archiv
Bereits vor dem Bericht von Correctiv sind im November Karbenerinnen und Karbener auf die Straße gegangenen, um gegen ein Treffen der AfD zu demonstrieren. Mit dem Antrag zur »wehrhaften Demokratie« möchte das Parlament solche Demonstrationen unterstützen. Foto: Archiv

Karben. Zur Unterstützung der Demokratie im Kampf gegen den Rechtsextremismus haben die Fraktionen während der vergangenen Sitzung des Stadtparlaments einen Resolutionsantrag für »eine wehrhafte Demokratie« eingebracht. In sieben Punkten sprechen sich die Stadtverordneten gegen Rechtsextremismus aus, stellen sich ausdrücklich hinter die Proteste gegen rechts, bekennen sich zu einer offenen Gesellschaft ohne Hass sowie Hetze und betonen, dass »parteiübergreifende Lösungen« gefunden werden müssen, um der »Radikalisierung und Spaltung in Teilen der Gesellschaft sowie in der Politik auf Kosten von Minderheiten« entgegenzuwirken.
Auch solidarisiert sich das Karbener Parlament mit diesem Antrag mit der Trierer Erklärung des Deutschen Städtetages. Diese besagt, dass der Zusammenschluss der kreisfreien und kreisangehörigen Städte die »jüngst bekannt gewordenen Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen« nicht tolerieren und dagegen vorgehen werde.
Mit den Worten der Trierer Erklärung hat Lindon Zena (Grüne) die Einbringung des Antrags in die Stadtverordnetenversammlung begründet. Für Zena haben dieser Antrag und die Unterstützung der Demokratie eine persönliche Konnotation. »Meine Eltern sind in den 90er Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen und haben sich hier ein Leben aufgebaut.« Seine und die Geschichte seiner Eltern sei ein Musterbeispiel für Integration. »Deshalb werde ich es nie akzeptieren, dass rechtsextreme Personenkreise darüber reden, wie meine Familie aus diesem Land vertrieben werden soll, nur weil wir nicht in deren völkisch-nationalistisches Bild passen.«
Dieser Antrag führt zu einer Debatte zwischen Christian Rohde (AfD) und den anderen Stadtverordneten. Der Vertreter der AfD im Parlament hat einen Änderungsantrag eingebracht, der an den Resolutionsantrag angelehnt ist, die Formulierungen aber in den wichtigen Punkten abändert. Rohde fordert, dass im Antrag jede Form von Extremismus benannt wird, jegliche Proteste und nicht nur die »Demos gegen rechts« unterstützt werden. Die Unterstützung der Trierer Erklärung solle indes komplett aus dem Antrag gestrichen werden. »Der Artikel von Correctiv entspricht keinem Tatsachenbericht, weshalb die Trierer Erklärung nichtig ist«, sagte Rohde und begründet weiter: »Das Parlament und der Magistrat müssen als exekutive Instanz neutral bleiben.«
Gegenwind für
Vorschläge der AfD

Für seinen Änderungsantrag und seine Ausführungen hat Rohde aus allen Fraktionen Gegenwind erhalten. »Gegen welche Gruppe muss sich unser Staat wehren?«, fragte Nora Zado rhetorisch und präsentiert die Zahlen der politisch motivierten Straftaten im Jahr 2022. Hier wurden rund 23 500 mit rechtsextremem Hintergrund begangen. Zählt man die Vergehen von links-, ausländer- und religionsextremen Tätern zusammen, kommt man auf rund 11 000 Straftaten. »Hier werden sprachliche Mittel verwendet, um das eigentliche Problem zu relativieren«, sagt Zado. Ebenfalls hat sie eine Einordnung der »Demos gegen rechts« vorgenommen. »Es handelt sich um die größten Massendemonstrationen der Nachkriegszeit, die aus der Angst vor einer antidemokratischen und verfassungsfeindlichen Partei begründet sind.«
Besonders der Vorwurf, dass es nach dem Terrorangriff der Hamas nicht zu Protesten gekommen sei, echauffierte Zado und die restlichen Stadtverordneten. »Die Anteilnahme war sehr groß. Es gab eine Vielzahl von Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen, die von allen Fraktionen besucht wurden«, sagte Zado. »Hier wird versucht, zwei Seiten gegeneinander auszuspielen. Im Kern meint diese Aussage, dass alle, die jetzt protestieren, antisemitisch sind.«
Die Fraktionsvorsitzenden Oliver Feyl (FDP), Thorsten Schwellnus (FW), Gabi Faulhaber (Linke) und Mario Beck (CDU) unterstützten den Grundgedanken von Zado und drückten ihre Ablehnung gegenüber dem Änderungsantrag der AfD deutlich aus. »Der Antrag zeigt, dass die AfD ein Problem mit der Auslegung von Freiheit hat«, sagte Feyl. Immer wenn sich ein Protest oder eine Behörde wie der Verfassungsschutz gegen die AfD richte, sei dies unfair und unangemessen.
Beck sagte, für ihn sei der Absender des Antrags höchst unglaubwürdig. Er verabscheut jede Art von Extremismus, es sei offensichtlich, dass rechte Straftaten das größte Problem darstellen. »Vor allem vor dem Hintergrund, dass der schlimmste Terrorangriff in der Region in Hanau einen rechtsextremen Beweggrund hatte.« Der Fraktionsvorsitzende der CDU sprach über die historische Verantwortung, die ganz explizit für Karben gelte. Daran erinnere das Mahnmal am Waldfriedhof in Klein-Karben. Auch zeigt das Mahnmal ein Bild von Wehrmachtsoldaten, die am 1. September 1939 nach Polen einmarschierten. Dieser Grenzverletzung seien mehrere Grenzüberschreitungen vorangegangen. »An diesem Punkt der Geschichte befinden wir uns gerade. Wir müssen uns dagegen aber wehren«, sagte Beck.
Die Stadtverordneten stimmten bei einer Gegenstimme von Christian Rohde für den Resolutionsantrag und setzten sich damit für eine wehrhafte Demokratie ein. Von Patryk Kubocz