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Die Rettung der Heiligen – Kostbare und seltene Wandmalereien in der St. Michaelis-Kirche werden saniert

Karben. Es ist eine wahre Kostbarkeit, an der derzeit in der Klein-Karbener St.-Michaelis-Kirche gearbeitet wird: Spätgotische Wandmalereien, wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert. Lange waren sie hinter Steinen und Beton versteckt. Bis 1959 der Kirchenmaler und Restaurator Kurt Faulstich die Bildnisse der Heiligen Margareta und Maria Magdalena in den spitzbogigen Fenstern links neben der Orgel und Reste nicht mehr erkennbarer Malereien auf der rechten Seite freilegte. Vielleicht einzigartig, auf jeden Fall besonders, ist die Darstellung der Heiligen Margareta. Sie wird nun von Restauratoren aufgefrischt.

Wie die Geschichte sagt, wurde sie in den Kerker gesteckt, wo ihr eines Nachts der Teufel in Form eines Drachens erschien. Deshalb werde sie meist entweder in Abwehrhaltung mit einem Kreuz oder mit einem Fuß auf dem Drachen stehend abgebildet, erklärt Pfarrer Werner Giesler. Auf der Darstellung in der Karbener Kirche entdeckte Architekt Klaus Riederer bei Umbauarbeiten die Besonderheit des Bildes: Margareta hält den Drachen gebändigt, wie ein Schoßhündchen auf dem Arm. Warum, kann Giesler nur spekulieren: „In der bäuerlichen Kultur ist das gebändigte Tier von größerem Interesse als das besiegte Tier.“

Bei der Restauration vor fast 50 Jahren machte Faulstich einen schwerwiegenden Fehler: Um die Gemälde zu konservieren, verwendete er 1960 einen in damaliger Zeit häufig benutzten Überzug aus Kalkkasein. Was das zur Folge hatte, bemerkten als erstes die Gemeindemitglieder: Der Überzug vergraute und versprödete die Bilder. Die kräftigen Farben, die einst rot, gelb, ocker und grün erstrahlten, drohten zu verblassen. Da der Überzug leicht glänzte, waren die Bilder auch von manchem Blickwinkel aus nicht gut zu erkennen. Deshalb sind derzeit Michaela Janke (28) und Gavin Deckers (32) zehn Stunden am Tag im Einsatz. Die beiden Studenten der Restauration an der Fachhochschule Köln nehmen den 47 Jahre alten Überzug wieder ab, füllen kleinere Hohlräume im Putz mit kalkähnlichen Stoffen wieder auf. Schädigende Materialien werden nicht wieder angebracht. 10 000 Euro kostet das Projekt, das je zu einem Drittel vom Landesdenkmalamt, der Landeskirche und der Gemeinde getragen wird.

„Der Überzug ist eine heikle Sache“, erklärt Janke. Die Malerei sei zwar ganz stabil, trotzdem sei äußerste Vorsicht geboten. Mit einer Stirnlupe und einer dem Aceton ähnlichen Lösung auf dünnen Wattestäbchen löst sie die Kalkkasein-Schichten an. „Wichtig ist, das wir viel lüften“, sagt sie. Denn die Lösung hat einen stark ätzenden Geruch. Daher arbeiten sie und ihr Kollege Deckers viel mit einer Gasmaske als Atemschutz.

Die so genannte Seccomalerei besteht aus mehreren Farbschichten auf trockenem Putz und wurde nicht sofort nach dem Bau der frühromanischen Kirche aufgemalt. Das hat die Restauratorin bei ihren Untersuchungen herausgefunden. Bei ihrer Recherche stieß sie auch auf die Notizen, die Faulstich in den 60er-Jahren gemacht hat. Er ging davon aus, dass ursprünglich alle Wände der damals noch katholischen Kirche, die heute auf der Bonifatiusroute liegt und von vielen Pilgern besucht wird, bemalt waren. Auf einer Zeichnung hat er mit Kreuzen festgehalten, wo er überall Reste der Malereien entdeckt hat. Größtenteils waren diese jedoch zerstört worden, als die Kirche im Barock umgebaut wurde.

Während das rechte Spitzbogenfenster komplett zugemauert war, wodurch die Feuchtigkeit nicht richtig transportiert wurde, wurde das linke Fenster nur an den Wänden vermauert und der Innenraum mit Schutt aufgefüllt. So konnte die Luft besser zirkulieren und die Malereien erhalten bleiben, erklärt Janke. Deshalb sind die beiden Heiligen heute noch so gut zu erkennen. Rechts deuten verblasste Heiligenscheine an, dass dort ähnliche Malereien gewesen sein mögen. Das Besondere: Die Wandmalereien wurden kaum retuschiert und haben daher noch ihre ursprüngliche Form und Farbgebung.